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# taz.de -- Die Gemeinschaft der Faktenchecker
> Das Medienunternehmen Correctiv veranstaltete im Publix-Haus in Neukölln
> einen Abend zu seinem neuen Faktenchecker-Forum. Man möchte „die
> Community“ stärken. Aber welche eigentlich?
Von Jens Winter
Die imitatio christi ist sicher eines der originärsten, schönsten und
vielleicht widersprüchlichsten Phänomene des ohnehin widersprüchlichen
Christentums. Im Mittelalter zogen Mönche unter dem Motto Jesu „Komm und
folge mir nach!“ durch Europa, gründeten Orden um Orden, jeder ein bisschen
anders, jeder ein bisschen besser.
Es mag polemisch klingen, aber ein bisschen so war das, was Correctiv am
Donnerstagabend im Publix-Haus in Neukölln veranstaltete. Thema der
fortlaufenden Reihe Publix Thursdays war das neu gegründete „Faktenforum“
des Medienunternehmens Correctiv. Neben den eigenen „Faktenchecks“, die
Correctiv auf seiner Website veröffentlicht und für Meta (Facebook und
Instagram) macht, hat die Organisation nun ein Onlineforum ins Leben
gerufen, in dem „Faktenchecker“ gemeinsam [1][„Fakten“ auf Social Media
checken] können. Knapp 400 Personen seien schon dabei.
Das klingt nicht nur ein bisschen süß, sondern ist es auch – ohne damit den
Ernst des Anliegens in Abrede zu stellen. Die Demokratisierung der
Medienlandschaft durch Internet und Social Media hat dazu geführt, dass
auch Unmengen an Unwahrheiten in die Welt gespült wurden. Die Frage ist
aber: War der schnelllebige und immer schon ideologisch sortierte
Journalismus je frei davon? Waren es andere Medien? Die Last des kritischen
Denkens konnte einem bisher noch niemand abnehmen.
Natürlich ist so ein Abend kein Ort, um über den „crack, a crack in
everything“ (Leonard Cohen) zu reden. Vor allem nicht, wenn es darum geht,
gemeinschaftlich solche Risse (cracks) aufzuspüren. Alice Echtermann,
Leiterin der „Faktencheck“-Abteilung von Correctiv, sagte auf dem Podium:
„Wir möchten, dass möglichst viele Menschen das lernen: gute von schlechten
Quellen zu unterscheiden“. Aber: War es gerade nicht noch um Fakten
gegangen? Hängt eben zusammen. Wie, blieb offen.
Das „Faktenforum“ richtet sich vorrangig an Nichtjournalisten, die von
Journalisten lernen sollen. Correctiv möchte aufklären, ausstrahlen.
Gleichzeitig, so scheint es, ist man ganz froh über die Human Ressources
der Faktenchecker. „Wir wollen mit dem Wissen der Menschen Recherche
machen“, so Chefredakteur Justus von Daniels.
Um sich an der gemeinsamen Faktenprüfung beteiligen zu können, muss man
erst an einem „Onboarding-Treffen“ teilnehmen. Erst dann wird man für das
Forum freigeschaltet. Prinzip sanfte Kontrolle, sozusagen. Ein bisschen wie
Adalbert Stifters „sanftes Gesetz“, rätselhaft bis heute, das zwischen
Anthropozentrik und naturwissenschaftlicher Apathie vermitteln wollte. So
verrückt das klingt, aber: Die Expertenemphase und gleichzeitige
Zugewandtheit der Faktenchecker von Correctiv an diesem Abend – vielleicht
ist sie genau das.
Caroline Lindekamp, Leiterin des Forums, sprach von
„Selbstreinigungsprozessen“, die „die Community“ auslösen solle. Gemei…
waren: Lernprozesse. Zugleich betonte Echtermann: „Wir indoktrinieren
niemanden.“
Trotzdem, direkt nach der Veranstaltung kommt ein älterer Herr, der dem
Podium mit einem Glas Rotwein lauschte, zu Echtermann und spricht von einem
„Gefälle“, das zwischen Sprechern und Zuhörern hergestellt worden sei. Die
Bemerkung müsse man „ihm erlauben“, er sei schon älter. Er hatte wohl nic…
ganz unrecht.
„Wer möchte noch überzeugt werden?“, fragte von Daniels zum Ende. „Wer …
eine Frage, die ihm oder ihr den Zugang zu dem Projekt erleichtern würde?“
Nun könne man sich „als Teil von etwas fühlen, was etwas Neues bringt“.
Doch was sollte dieses „Neue“ sein, was das „Faktenforum“ bringen soll?
[2][Im nagelneuen Publix-Haus für „gemeinwohlorientierten Journalismus“],
in dem auch Correctiv ansässig ist, mit seinen bunten Möbeln und dem vielen
Sichtbeton, war dies, zumindest an diesem Abend, nicht mit Sicherheit zu
sagen.
9 Dec 2024
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## AUTOREN
Jens Winter
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