# taz.de -- berliner szenen: Es bleibt immer zu wenig Zeit | |
In den Räumlichkeiten am Henriettenplatz, in denen früher eine Filiale der | |
Berliner Sparkasse war, befinden sich heute ein Bäcker und ein Barber. Von | |
der Sparkasse ist nur ein 5 Quadratmeter großer Raum mit zwei Automaten und | |
einem „Terminal“ für Überweisungen und Kontoauszüge geblieben. Die Schla… | |
vor dem Terminal geht bis auf die Straße hinaus. Die Frau vor mir fragt: | |
„Dauert es bei Ihnen lange?“ Ich deute durch Handbewegungen ein „Es geht | |
so“ an. Sie erklärt: „Dann gehen Sie vor. Bei mir dauert es eine Weile.“ | |
Sie erzählt, vor einer Woche sei sie von einer Frau beschimpft worden, weil | |
sie das Terminal so lange blockiert habe: „Die hat mich eine Fotze | |
genannt.“ Dabei habe die Frau gar nicht gefragt, ob sie vor dürfe: „Sie ist | |
gleich ausgerastet und hat ihre ganze Wut über weiß Gott was an mir | |
ausgelassen.“ | |
Ich schüttele den Kopf. Die Erinnerung versetzt die Frau in Rage. Sie könne | |
doch nichts dafür, dass es hier nur ein einziges Terminal für Überweisungen | |
gebe: „Ich stehe hier schließlich auch nicht aus Spaß an der Freude – ich | |
muss die Überweisungen für meine demente Mutter machen.“ Sich um erkrankte | |
Eltern zu kümmern, nehme einem schließlich niemand ab: „Dabei habe ich | |
gerade erst meinen Vater in seinen letzten Monaten begleitet und auch noch | |
eine behinderte Tochter, um die ich mich ganz allein kümmere. “ Sie seufzt: | |
„Durch die halbe Stadt fahren kann ich für die Überweisungen meiner Mutter | |
nicht – so viel Bürokratie wie ich zu erledigen habe, bleibt mir ohnehin | |
viel zu wenig Zeit für meine Tochter und meine Mutter.“ | |
Ich lächele verständnisvoll: „Ich kenne das.“ Ihr Gesicht taut auf: | |
„Endlich mal jemand, der das Dilemma versteht.“ Am schlimmsten sei nicht | |
das ganze Kümmern: „Sondern, dass es niemanden schert und niemand | |
anerkennt, was man leistet.“ | |
Eva-Lena Lörzer | |
3 Dec 2024 | |
## AUTOREN | |
Eva-Lena Lörzer | |
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