# taz.de -- Seltsam unheimlich | |
> In Oldenburg bringt die Ausstellung „My House Is on Fire“ das | |
> lithografische Werk Horst Janssens mit dem von David Lynch zusammen – ehe | |
> der zum etwas anderen Filmregisseur wurde, hatte er Kunst studiert. Ihre | |
> Arbeiten nebeneinander zu stellen, eröffnet neue Perspektiven | |
Bild: Wirken auf düstere Weise hintersinnig: Die Grafiken Horst Janssens | |
Von Jan-Paul Koopmann | |
Konfrontation, Korrespondenz oder Kommunikation: Es gibt viele große Worte, | |
um den Mehrwert zu beschreiben, den es verspricht, zwei sehr verschiedene | |
Künstler nebeneinander zu hängen. Gerade Einzelpersonen gewidmete | |
Ausstellungshäuser dürften neben den ästhetischen Impulsen wohl zu Recht | |
auch auf ein Publikum setzen, das sich mal wieder auf den Weg macht, neu zu | |
entdecken, was es im Grunde schon kennt. Wie das funktioniert, zeigt in | |
Oldenburg gerade das Horst-Janssen-Museum mit der Doppelausstellung „My | |
House Is on Fire“. | |
Der besondere Gast, der in dieser Schau mit dem Hausgeist Horst Janssen, | |
eben, kommuniziert, korrespondiert und konfrontiert wird, ist David Lynch – | |
ein unbestreitbar großer Name, auch wenn der US-amerikanische Künstler | |
weniger für Zeichnungen und Druckgrafiken bekannt ist, sondern als | |
Filmemacher. | |
Mit „Eraserhead“ (1977) oder „Mulholland Drive“ (2001) und ganz besonde… | |
mit seiner TV-Serie „Twin Peaks“ (1990 und 2017) hat er ein monumentales | |
Werk geschaffen – in einer unverwechselbaren Handschrift, die seine | |
beachtliche Fangemeinde als eine Art eigenes Genre begreift. Das Adjektiv | |
„lynchian“ lässt sich sogar im Oxford English Dictionary nachschlagen, es | |
ist so etwas wie das „kafkaesk“ der Postmoderne. | |
Obwohl nun auch in Oldenburg einzelne Kurzfilme und Stills zu sehen sind, | |
geht es doch vielmehr um Lithografien, die Lynch seit 2007 in der Pariser | |
Werkstatt Idem hergestellt hat: Dieser Kunstverlag hat 1997 die 1881 | |
errichteten Ateliers der Lithografen-Dynastie Mourlot übernommen, bei der | |
schon Henri Matisse und Marc Chagall drucken ließen. In ihren | |
Räumlichkeiten hatte sich Pablo Picasso im Winter 1945/1946 über mehrere | |
Monate einquartiert, um in der Steindruckkunst ein völlig neues | |
Ausdrucksspektrum zu entwickeln. Das Fortleben des Mythos hat Lynch in | |
seinem wortlosen Schwarz-Weiß-Kurzfilm „Idem Paris“ eingefangen, [1][der | |
auf Youtube zu sehen is]t. | |
Lynchs Interesse am unbewegten Bild ist aber älter: Noch bevor er in | |
Hollywood zum Star-Regisseur wurde, hatte er Kunst studiert, an der | |
Pennsylvania Academy of Fine Arts. Seine in Oldenburg ausgestellten Drucke | |
sind – keine Überraschung – düster, spielen in vieldeutigen Motiven mit d… | |
Unbewussten: Ins Groteske verfremdete Körper verlieren sich in der Fläche, | |
Flammen züngeln und sind von einem nicht abschließend auflösbaren | |
Symbolismus durchzogen. Manche Formen lassen sich als Augen lesen, andere | |
verweisen als Kameraobjektive wiederum aufs Filmische, während sie zugleich | |
eine klare Absage an die Unmittelbarkeit des Beobachtens erteilen. | |
Dass diese Arbeiten Parallelen zu Horst Janssens Schaffen aufweisen, ist | |
eine Entdeckung von Alice Gericke, die als Stipendiatin ans Haus kam und | |
eigentlich etwas ganz anderes vorhatte, als eine Doppelausstellung zu | |
kuratieren. Sie hatte im Archiv gestöbert, um die eigene Arbeit an der | |
Linie weiterzuentwickeln; auf dem Weg zur Animation, wie sie mal gesagt | |
hat. | |
Was sie gefunden hat, war eine sonderbare Spannung zwischen Janssens | |
Flächen und etwas Unbestimmbarem in der Tiefe: „Uncanny“ sagt sie dazu, | |
also „unheimlich“ und „intellektuell unklar“. Das ist schwer zu greifen, | |
schien ihr aber gerade vertraut: von Lynch. | |
Was zunächst vielleicht nach subjektivem Empfinden klingt, belegen jetzt | |
die rund 60 Exponate der Ausstellung. Denn tatsächlich doppeln sich hier | |
nicht nur Motive wie eben das Feuer, verschlungene Leiber oder abstrus | |
verformte Köpfe. Aus Janssens Radierungs-Zyklus „Dosen und Steine“ etwa | |
führen von den zerstörten Oberflächen belangloser Gegenstände ganz ähnlich | |
verworrene Pfade hinein in unbestimmbare Räume, wie in Lynchs Nahaufnahme | |
eines Steins, die den Film „Eraserhead“ eröffnet. | |
Um eine Beweisführung geht es hier allerdings nicht. Etwas flapsig könnte | |
man umgekehrt ja auch fragen, ob es nicht fast komisch wäre, unter Janssens | |
Tausenden Arbeiten nicht auch ein paar zu finden, die irgendwie „lynchian“ | |
wirken. Entscheidend ist, dass Gericke sie gefunden hat und in der Schau | |
auch zu vermitteln weiß. So stiftet „My House Is on Fire“ mehr als nur | |
einen zweiten großen Namen für eine Ausstellung. Sie eröffnet einen neuen | |
Blick auf die Sammlung des Oldenburger Museums. | |
7 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=V_VKCjeMzhg | |
## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
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