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# taz.de -- kritisch gesehen: Schaurig schön
> Ursina Tossis „Gespenster“ erweitern den theatralen Raum um das
> Immaterielle
Nachts sind sie wach, sie können fliegen, schweben, spuken und sind
meistens tot: „Gespenster“, so heißt das jüngste Stück von Ursina Tossi,
das nun auf Kampnagel zu sehen ist. Und noch bevor die Aufführung beginnt,
werden bei den Zuschauer*innen Gespenster-Assoziationen abgefragt,
Mitternachts-Fantasien ausgetauscht und freundliche Hinweise gegeben.
Wer möchte, kann vorab an einer Tastführung teilnehmen, wem es während der
Vorführung zu unheimlich wird, darf sie verlassen. „Gespenster“ richtet
sich (vorrangig) an ein junges Publikum. Es ist (auch) ein Stück für
blindes und sehbehindertes Publikum und daher eines, das eine
künstlerische, mitspielende Audiodeskription bereithält, die in enger
Zusammenarbeit mit dem Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte
entstanden ist. Es ist zugleich ein Stück über paranormale Erfahrungen und
Traumata, über unsichtbare Körper und unerklärliche Erscheinungen.
Mit Aurora Brocci, Naomi Sanfo-Ansorge, Sakshi Jain und Damini Gairola hat
die Hamburger Choreografin Tossi die Performance erarbeitet. Mit ruhigen,
fließenden Bewegungen erobern sich die vier sehenden und sehbehinderten
Tänzer*innen den Raum. Sie werden zu vier Körpern, die unsichtbar
miteinander verbunden scheinen. Sie ringen, rangeln sich zu Boden, stützen
und ertasten, tragen einander hoch in die Luft. Immer mal fügen sie sich
für einen kurzen Moment zu einem surrealen Wesen, erscheinen als ein
Monster mit drei Köpfen und vier Beinen, als ein albtraumgeborener Geist,
um dann bald wieder auf den weißen Tanzboden weich auseinanderzugleiten.
Die von Nina Divitschek gestalteten Kostüme – eine schöne Mischung aus
angerissenem Punk- und gebatiktem Hippie-Look – knistern dabei raschelnd.
Es sind Geräusche, die blinden oder sehbehinderten Zuschauer*innen das
Bühnengeschehen erfahrbarer machen. Sie weiten den theatralen Raum über die
rhythmischen Sounds von Johannes Miethke und über das sichtbare Geschehen
im spiegelnden Lamellen-Bühnenbild von Raphaela Andrade hinaus. So
erzählen diese Geräusche immer auch von der Co-Existenz des Immateriellen.
Und davon, dass es absolute Stille oder ein absolutes Nichts nicht geben
kann.
Immer wieder schafft Tossi in ihrer Choreografie bewegliche Zwischenräume,
lässt „Platz für Moleküle und Unsichtbares“, wie es einmal in der live
gesprochenen Audiodeskription heißt. Sie lässt Dämonisches zu, flüsternde
Erinnerungen und den Spuk, genauso aber auch das erlösende Lachen. Und in
einem fast magischen Moment lässt sie ein Wesen auf Stelzen und mit
wehenden Stoffen die Bühne durchqueren. Zeitlupenlangsam und schaurig
schön! Kathrin Ullmann
28 Nov 2024
## AUTOREN
Katrin Ullmann
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