| # taz.de -- Das Groteske und das Verstörende | |
| > Die Ausstellung „Metalmorph“ im Schau Fenster in Kreuzberg ist von Fans | |
| > für Fans des Heavy Metal | |
| Von Andreas Hartmann | |
| Das Objekt, das für die beiden Kuratoren die Grundidee ihrer Ausstellung | |
| „Metalmorph“ am besten verkörpert, steht auf einem kleinen Sockel. Es sieht | |
| aus wie ein Stein und man darf es sogar in die Hand nehmen. Es ist ziemlich | |
| schwer und entpuppt sich als Meteorit, der von irgendeinem anderen Planeten | |
| als der Erde stammt. | |
| Mit dem Ding lässt sich also so einiges assoziieren, was Heavy Metal als | |
| Musikgenre und Kultur prägt. Es steht für das Außerirdische, von wo aus es | |
| nicht mehr weit zu Fantasy-Welten ist, in die der Metal so gerne eintaucht. | |
| Und er kann die Apokalypse symbolisieren, die Vernichtung der Menschheit | |
| durch einen katastrophalen Meteoriteneinschlag. Und die Angst vor Verderben | |
| und Tod ist etwas, womit sich das Genre Heavy Metal seit Entstehen in den | |
| frühen Siebzigern pausenlos beschäftigt. | |
| Die beiden Kuratoren haben für die kleine Kreuzberger Galerie Schau Fenster | |
| mit „Metalmorph“ eine exzellente Ausstellung zusammengestellt. Man spürt im | |
| ganzen Raum, dass unbedingt der Eindruck vermieden werden soll, dass sich | |
| hier ein paar Kunstsnobs von oben herab mit einer gerne auch mal | |
| belächelten Musikkultur von langhaarigen Biertrinkern mit einem Faible für | |
| „Der Herr der Ringe“ beschäftigen. Zu jedem einzelnen Kunstwerk, das hier | |
| zu sehen ist, kann einem Andreas Hachulla ausführlich erklären, welche | |
| Bezüge dessen Erschaffer oder Erschafferin zu Heavy Metal hat. Nicht wenige | |
| spielen beispielsweise selbst in einer Metalband. „Von Fans für Fans“, nach | |
| diesem Motto habe man die Ausstellung kuratiert. | |
| Hachulla spielt auch selbst in einer Band und ist Fan durch und durch. Er | |
| nimmt sich gerne die Zeit und führt Besucher der Kunstschau durch den Raum, | |
| ein Angebot, das man unbedingt wahrnehmen sollte. Er kann einem auch noch | |
| zu den obskursten Verzweigungen und Sub-Sub-Subgenres des Genres etwas | |
| erklären. Und seine Begeisterung, wenn er von den Veteranen Manowar | |
| erzählt, die er bereits 50 mal live gesehen haben will, wirkt absolut echt. | |
| Klar, Manowar sind die, die ein typisches Metal-Klischee, das des harten | |
| Mannes als Krieger, bis zur Lachnummer verzerrt haben, sagt er. Aber die | |
| Ernsthaftigkeit, mit der die Band an Sound und Image arbeite, dafür habe er | |
| großen Respekt. | |
| Das Groteske und Verstörende, der Drang, immer da hin zu blicken, wo es | |
| vielleicht auch weh tut, ist der Metalkultur immanent und macht ihren Reiz | |
| aus. Die künstlerischen Auseinandersetzungen mit ihr, die in der | |
| Ausstellung gezeigt werden, greifen das Krasse und Übertriebene gerne auf, | |
| potenzieren es oder stellen neue Zusammenhänge her. Auf einem der | |
| Kunstwerke ist etwa Varg Vikernes abgebildet, in ikonischer Pose mit | |
| Streitkolben in der Hand. Der Mann ist verurteilter Mörder und Neonazi, auf | |
| dem Bild aber sieht er aus wie eine süße Comicfigur. Es gab schon | |
| Reaktionen, bei denen gesagt wurde, das könne man so nicht machen, sagt Jan | |
| Brokof. Aber da Vikernes als Ein-Mann-Band Burzum trotz alledem immer noch | |
| Einfluss auf das Genre Black Metal hat, hängt sein Portrait eben auch hier. | |
| Ja, über manches am Heavy Metal lässt sich trefflich aufregen. Dass da aber | |
| auch Verlogenheit mit dabei sein kann, zeigt Torsten Mühlbach in seiner | |
| Arbeit „You are what you eat“, die aus Mülltüten gefertigt ein fiktives | |
| Cover der Deathmetalband Cannibal Corpse zeigt. Deren echte Cover, | |
| Meisterwerke der Splatterkunst, würden als so verroht angesehen, dass es | |
| teilweise Bestrebungen gebe, Auftritte der Band zu verhindern, so Hachulla. | |
| Mühlbach zeigt auf dem Cover zwei glückliche Schweinchen mit Würsten in der | |
| Hand, ein Motiv, das sich auch heute noch in Metzgereien finden lässt. | |
| Scheinheiliger lässt sich massenhaftes Abschlachten von Lebewesen kaum | |
| darstellen. Dann doch lieber die echte und wirklich metalmäßige Bildsprache | |
| von Cannibal Corpse. | |
| „Metalmorph“: Schau Fenster. Lobeckstr. 30 – 35. Bis 17. November | |
| 7 Nov 2024 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Hartmann | |
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