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# taz.de -- Der Mann, der nach Potsdam fiel
> Das Hans-Otto-Theater nutzt seine Chance und führt David Bowies „Lazarus“
> auf. Bei „Heroes“ wird mitgesungen
Von Michael Wolf
Im November 2015, zwei Monate vor seinem Tod, sah man David Bowie zum
letzten Mal in der Öffentlichkeit. Er besuchte die Premiere des
Off-Broadway-Musicals „Lazarus“, das er selbst zusammen mit dem irischen
Dramatiker Enda Walsh geschrieben hatte. Es lehnt sich an Bowies größten
Erfolg als Schauspieler an. 1976 spielte er in „The Man Who Fell to Earth“
einen Außerirdischen, der mit einer für seinen Heimatplaneten
lebenswichtigen Mission auf die Erde reist, aber scheitert und in seiner
Alkoholsucht versinkt.
„Lazarus“ ist eine Fortsetzung dieser Geschichte. Ständig betrunken
vegetiert der Außerirdische in seiner Wohnung herum. Er lebt nur noch für
Erinnerungen an seine wahrscheinlich inzwischen tote Familie auf dem
Heimatplaneten und an die Frau, die er hier auf der Erde gefunden hatte,
die ihn aber längst verließ. Dann aber reißen ihn drei Figuren aus der
Lethargie: seine neue Haushälterin, die sich in ihn verliebt, ein Mädchen,
das nur er sehen kann und das ihm verspricht, mit ihm eine Rakete für die
Reise nach Hause zu bauen, und ein rätselhafter junger Mann, der immer ein
langes Messer bei sich trägt.
Zusammen mit Bowies letztem Album „Blackstar“ wurde „Lazarus“ als Bowies
Vermächtnis verstanden, als Inszenierung seines [1][Abschieds vom Leben.]
In den letzten Jahren war das Musical auch in zahlreichen deutschen Städten
zu sehen. Ausgerechnet in Berlin aber, wo Bowie ein paar prägende Jahre
verbrachte, warteten die Fans vergeblich auf eine Neuproduktion. Und so hat
das Hans-Otto-Theater in Potsdam seine Chance genutzt. Hier bringen Bernd
Mottl (Regie) und Matthias Binner (Musikalische Leitung) das Stück mit
einem zehnköpfigen Ensemble und acht Musikerinnen und Musikern auf die
Bühne, die an ein Loft erinnert, das einem Raumschiff nachempfunden ist.
Man will hoch hinaus an diesem Abend, wahrscheinlich sogar Publikum aus
Berlin herlocken. Die Produktion ist eine große Sache für das Haus, und,
nun, das merkt man auch.
Nicht nur Philipp Mauritz, der die Hauptrolle spielt, folgt dem Text ein
bisschen zu eifrig. Wann immer eine Emotion markiert ist, wird sie
überakzentuiert. Man lässt die Arme hängen, lächelt abwesend in die Leere,
reißt die Augen auf, wenn man gerade irgendwas denkt, trippelt nervös über
die Bühne. Es scheint, als sorge sich das Ensemble, von der Musik überrollt
zu werden, als fürchteten sie, mit ihren Sprechtexten sang- und klanglos im
Sound der musikalischen Meisterwerke unterzugehen. Dem Ganzen hätte ein
wenig Ruhe gutgetan und wohl auch ein bisschen weniger Ehrfurcht vor dem
Stoff. Zumal Bowies Co-Autor Enda Walsh mit seinen oft banalen Dialogen und
der verwirrenden Handlung nur selten die Tiefe der reklamierten Themen
erreicht. Zum Glück ist das alles jedoch nicht so wichtig an diesem zwei
Stunden und 15 Minuten langen Abend, denn die Live-Band (Keyboard,
Schlagzeug, Gitarre, Bass und Bläser) treibt die Aufführung von der
Hinterbühne voran, und im Publikum lässt man sich nicht lange bitten, wippt
mit und bewegt die Lippen wie im stummen Gebet zu all den großen Hits, von
„[2][Where Are We Now?“] über „All the Young Dudes“ und „The Man Who…
the World“ bis zu, na klar!, der [3][Berlin-Hymne „Heroes“.]
Und dann, bei der Zugabe, zeigt sich das Ensemble sogar noch einmal ganz
befreit. Wie entfesselt von diesem schweren und schwierigen Stück tanzen
sie da in den wilden Outfits verschiedener Bowie-Phasen über die Bühne und
singen gemeinsam „Let’s Dance“. Ja, genau das ist es. Tanzt! Lasst euch
weiterhin von Bowies Musik bewegen. Das ist die eigentliche Botschaft, und
ja, sie ist an diesem Abend angekommen.
22 Oct 2024
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## AUTOREN
Michael Wolf
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