# taz.de -- Mit aufgerauter Raffinesse | |
> Zum 60. Geburtstag des Echtzeitmusikers Burkhard Beins ist eine opulente | |
> Vinylbox erschienen | |
Bild: Anspruchsvolle, dabei unakademische Musik: Burkhard Beins | |
Von Robert Mießner | |
Im ausgehenden 18. Jahrhundert gelang Franz Joseph Haydn ein Coup, den | |
jetzt im angebrochenen 21. Jahrhundert die Klangkünstlerin Andrea Ermke und | |
der Improvisations- und [1][Echtzeitmusiker Burkhard Beins] umgekehrt zu | |
landen wissen. Bei Haydn war es in seiner 94. Sinfonie, der mit dem | |
berühmten Paukenschlag, ein plötzlicher Lauschangriff des ganzen | |
Orchesters. Ob als Überraschung oder als Weckruf gedacht, darüber geht die | |
Überlieferung auseinander. | |
Bei Ermke und Beins geschieht es, dass in ihrer Soundskulptur „Unleash“ | |
Analogsynthesizer, Sampler und Mini-Disks sechs Minuten lang vielstimmig | |
rascheln und zirpen, bis unvermittelt eine halbminütige Brummpause | |
einsetzt. Sie vibriert über einer spürbaren Stille und führt hin zu einer | |
Klanganordnung, die als Filmkulisse denkbar ist: In einer Wartehalle | |
erklingt ein Glockenspiel. Hast du Töne! | |
Anhören kann man sich diese alles andere als weihevolle Mikro-Sinfonie der | |
Drähte auf einer von insgesamt drei LPs, die sich Burkhard Beins heute in | |
einem opulenten Vinyl-Boxset mit Beiheft zum 60. Geburtstag schenkt. „Eight | |
Duos“ heißt der schicke Schuber, und in dem Titel steckt bereits, was die | |
Musik von Burkhard Beins auszeichnet: Es ist ihr nichtmonologisches | |
Prinzip. | |
Eines seiner frühen Alben ist eine Zweierkonstellation des Perkussionisten | |
mit dem Gitarristen John Bisset, „Chapel / Kapell“, aufgenommen in der | |
Stechinelli-Kapelle aus dem 17. Jahrhundert in Wieckenberg, Ortsteil der | |
Gemeinde Wietze im Landkreis Celle. Beins’ Geburtsort war Adresse eines | |
niedersächsischen Ölfiebers, das von Mitte des 19. bis Mitte des 20. | |
Jahrhunderts währte und dem durch die Förderung von Teer, Stichwort | |
Satansspeck, bereits bekannt gewordenen Wietze einen beträchtlichen | |
Aufschwung bescherte. | |
Dort, zwischen gewesener Industrie und Waldlage, so schreibt der | |
Herausgeber des Fanzines Bad Alchemy Rigobert Dittmann in seinen Linernotes | |
zu „Eight Duos“, traf der 15-jährige Burkhard Beins auf eine | |
US-amerikanische Elektronik-Delegation: In der Nachbarschaft, im Studio des | |
Strommusik-Pioniers [2][Klaus Schulze,] nahm die Band Earthstar mehrere | |
ihrer Alben auf. Für Burkhard Beins war das eine prägende Erfahrung. Im | |
Gespräch mit der taz – Beins zuzuhören, ob im Konzert, auf Platte oder in | |
der Konversation, baut Routinen vor – erzählt er von einer anderen frühen | |
Inspiration, dem britischen Post-Punk-Trio der Sonderstufe This Heat. Mit | |
deren Drummer Charles Hayward hat Burkhard Beins später zusammengearbeitet. | |
Die aufgeraute Raffinesse dieser anspruchsvollen, dabei unakademischen | |
Musik – Beins ist Autodidakt – findet sich auch auf „Eight Duos“. Sie a… | |
nehmen mindestens eine halbe, manchmal eine ganze Plattenseite ein. Den | |
Anfang machen Lidingö, Andrea Neumann an Innenklavier und Mischpult und | |
Burkhard Beins an gekippter Basstrommel und Ridebecken. In ihrem | |
dreiteiligen Stück „Expansion“ geht es metallisch zu, es gibt Nachhall, ein | |
Scharren und mittendrin eine Sequenz, die fast so etwas wie einen Blues | |
anreißt. | |
Dann sind da Activity Center: Gitarrist Michael Renkel mit Beins an der | |
Zither und einer einzelnen über Karton gespannten Saite. Die beiden waren | |
Mitte der Neunzigerjahre schon im Quartett nunc aktiv, als Duo entwerfen | |
sie das windschiefe Folk-Instrumental „Extraction“. Am ehesten Jazz ist die | |
„Excursion“ von Quentin Tolimieri am Flügel und Beins am Schlagzeug, die | |
sich mit steigernder Nervosität in ein Pianostakkato spielen. | |
Die Brücke zwischen dem geräuschhaften Ansatz Andrea Neumanns und dem das | |
Piano noch Piano sein lassenden Spiel Quentin Tolimieris lässt sich in | |
Anaïs Tuerlinckxs und Beins Beitrag „Unfold“ hören. In „Unlock“ gibt … | |
Wischer auf der Snare wie im Cool Jazz; durch Axel Dörners Trompete, die | |
er, nicht zuletzt durch Atmungsgeräusche, wie einen Synthesizer klingen | |
lassen kann, wird das noch cooler. „Transformation“, die A-Seite der | |
dritten Platte, gehört Tony Elieh und Burkhard Beins, beide an der | |
Bassgitarre und Elektronik unter dem Alias Zone Null. Der Name lässt an | |
eine Jugendlektüre von Beins denken, an die sowjetischen | |
Science-Fiction-Autoren Arkadi und Boris Strugazki. Das hypnotische Stück | |
ist ein schönes Beispiel dafür, was man mit einem Rockinstrument anstellen | |
kann, wenn man kein Rocker ist. | |
Den Schlusspunkt setzen Vertigo Transport: Marta Zapparoli an Antennen, | |
Radioempfängern und Bandmaschinen und Burkhard Beins am analogen | |
Synthesizer, mit Walkie-Talkies und Samples. Ihr „Transmission“ ist eine | |
Laboranordnung aus Mosaiksteinchen und Rauschen, aus Frequenzen und Codes. | |
Verfremdete Stimmen mischen sich hinein. Es geht um ihren Klang, nicht um | |
vorgegebenen Sinn, der manchmal der Sinnlosigkeit näher ist, als den | |
Sinnstiftern bewusst ist. | |
Ruhestörung will Burkhard Beins seiner Musik übrigens nicht als Auftrag | |
mitgeben. Eher geht es ihm um Reduktion und Konzentration als Unterbrechung | |
der Bildschirmwelt. Man kann mit dieser Methode die Kraft der Schönheit | |
entdecken. | |
Burkhard Beins, Eight Duos (Ni-Vu-Ni-Connu) | |
Record Release mit Konzert: 22. 10. 24, Morphine Raum, Köpenicker Straße | |
147, 10997 Berlin | |
Burkhard Beins 60 // Trio Sowari 20: 26. 10. 24, ausland, Lychener Straße | |
60, 10437 Berlin | |
22 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Robert Mießner | |
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