# taz.de -- das wird: „Das Wichtigste ist Selbstschutz“ | |
> Schnell und klug auf Sexismus reagieren?In Bremerhaven lässt sich das | |
> lernen | |
Interview Alina Götz | |
taz: Frau Rosenwirth, wann haben Sie zuletzt einen sexistischen Spruch | |
gehört? | |
Melanie Rosenwirth: Ständig! Das sind so viele, wo soll ich da anfangen. | |
Das beginnt ja mit Kleinigkeiten, die viele gar nicht als sexistisch | |
wahrnehmen. Zum Beispiel ein „Sie sehen ja heute hübsch aus“ im | |
Arbeitskontext. Bis hin zu klareren Aussagen zum Thema Gendern: „das blöde | |
Gendersternchen“, „Verschandeln der deutschen Sprache“. | |
taz: Wie reagieren Sie auf das vermeintliche Kompliment, „Sie sehen hübsch | |
aus“? | |
Rosenwirth: Es kommt total auf die Situation und die Akteure an. Ich kann | |
einfach darüber hinweghören oder fragen: „Was wollen Sie mir damit jetzt | |
sagen? Was hat das mit dem Sachverhalt zu tun?“ Die Gegenreaktion ist | |
mindestens Irritation. Oft kommt ein „Ich wollte ja nur nett sein.“ Die | |
wenigsten sagen:„Da hast du recht, das hat in dem Kontext nichts verloren.“ | |
taz: Und wie antworten Sie auf die Kommentare zum Gendern? | |
Rosenwirth: Ich sage, dass Sprache sich nun mal verändert. Das mache ich | |
übrigens auch im Freundeskreis. Viele möchten mit mir nicht mehr über | |
Politik diskutieren, weil sie wissen, dass ich bestimmte Dinge nicht so | |
stehen lasse. | |
taz: Wie ist das für Sie? | |
Rosenwirth: Schlimmer finde ich es, wenn Leute mit den Augen rollen oder | |
sagen, dass ich jetzt schon wieder anfange mit meinen Sprüchen. Aber warum | |
sollte ich denn meine Klappe halten, wenn die anderen das auch nicht tun? | |
Ich will deren Sprüche ja genauso wenig hören. | |
taz: Da finden Sie die andere Variante respektvoller. | |
Rosenwirth: Genau. Ich mache das auch manchmal. Wenn jemand anfängt, über | |
Politik zu reden, sage ich: „Wir sind hier, um ein Bierchen zu trinken. | |
Lassen wir das doch mal so stehen.“ Das ist eine völlig legitime Art zu | |
reagieren: einfach „Stopp!“ sagen mit dem Wissen, wir kommen eh nicht auf | |
einen Nenner. | |
taz: Welche Möglichkeiten gibt es noch? | |
Rosenwirth: Zu sagen: „Hör zu, ich bin anderer Meinung, und ich möchte | |
solche Sprüche nicht hören.“ Immer auch abhängig von der Situation: Kommen | |
die mir mit einem dummen Spruch oder mit sogenannten Fakten? Hinterfragen | |
kann helfen. Oder auch Empathie zeigen: „Das tut mir leid, dass du das so | |
erlebt hast. Aber bist du sicher, dass das immer so sein muss?“ | |
taz: Wie vermitteln Sie das? | |
Rosenwirth: In einer Methode üben wir, schnell zu reagieren. Dabei werfen | |
sich die Teilnehmenden gegenseitig dumme Sprüche hin und das Gegenüber muss | |
schnell antworten. In Rollenspielen wird anschließend intensiver geübt. Wir | |
arbeiten auch mit Erfahrungen der Leute und schauen, was sie hätten anders | |
machen können. Es gibt nicht die ideale Reaktion. Das wichtigste ist | |
Selbstschutz, also sich durch eine Reaktion nicht in Gefahr zu bringen. | |
taz: Dürfen wir denn auch einfach mal weghören? | |
Rosenwirth: Natürlich kann das eine Lösung sein. Man muss nicht immer | |
streiten, sondern auch mal sagen können: Ich kann nicht mehr. | |
taz: Haben Sie Tipps für Leute, die Samstag nicht teilnehmen? | |
Rosenwirth: Es gibt jede Menge Seiten und Infos, wo man Handlungsoptionen | |
[1][und Gegenargumentationen ansehen kann]. Im Zweifelsfall kann man immer | |
sagen: „Stopp, ich möchte das nicht hören.“ Auch das kann beim Gegenüber | |
was auslösen. | |
17 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.aktiv-gegen-diskriminierung.info/argumente/sexismus#subnav | |
## AUTOREN | |
Alina Götz | |
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