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# taz.de -- berliner szenen: Putzi ist schon lange tot
Die Frau sagt: „Ich hatte auch mal ein Meerschweinchen.“ Sie steht neben
ihrem Stand auf dem vielleicht entspanntesten Flohmarkt der Stadt: Ein
Besucher möchte gleich mit mir nach Spanien auswandern und dank sinkendem
Lichteinfall und steigender Kälte – meteorologisch wie gesellschaftlich –
denke ich kurz darüber nach. Auch sind die Preise noch human, die Bockwurst
scheint zu schmecken, an einem Ausgang werden Gemüse und frisches Wild
verkauft. Ich schaue auf das Geschirr in meiner Hand und zweifle, dass es
meinem untergroßen Garfield passen wird. Aber sei's drum; 5 Euro, also eine
Ersparnis von 15, sind unschlagbar. Außerdem hatte das verkaufende Paar
sich interessiert über meine Katzenfotos gebeugt, um den Umfang des Tiers
mit dem des Geschirrs zu vergleichen. Kaufexperience: 10 von 10.
Kurz möchte ich es nun der Frau im Tausch gegen irgendein Klimbim an ihrem
Stand anbieten – einem Meerschweinchen würde das Geschirr sicher gut
passen. Aber Putzi sei bereits verstorben, höre ich sie sagen. Immerhin,
stolze zwölf Jahre wurde es. Ich denke an KingKong, die leider nur wenige
Monate bei mir gelebt hat. Putzis Zeit bei der Frau scheint schon länger
her zu sein als anfangs vermutet: circa 20 Jahre. Ich rechne. KingKong zog
zu mir, als ich etwa 11 Jahre alt war, also etwa zur selben Zeit.
Ich höre M.s Stimme in meinem Kopf. Eine Woche zuvor kam er im C/O
aufgeregt auf mich zu, nachdem er ein Foto von Anne Schönharting entdeckt
hatte. Darauf ein Mädchen um die Jahrtausendwende mit Britney-Poster an der
Zimmerwand, Stofftieren feinsäuberlich auf der Sofalehne drapiert und zwei
langhaarigen Nagern auf ihrem Schoß. „Meerschweinchen sind so 2000er“,
sagte er. Ich musste lachen. Im Gedenken an Putzi und KingKong stimme ich
ihm nun zu. Sophia Zessnik
15 Oct 2024
## AUTOREN
Sophia Zessnik
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