# taz.de -- Wie steht’s, Ha-Neu? | |
> Einst größte Planstadt der DDR, dann um die Hälfte geschrumpft – und | |
> jetzt? Halle-Neustadt feiert sein 60. Jubiläum mit einem Festival | |
18 Stockwerke hoch und 16 Wohnungen breit ragen die fünf „Scheiben“ als | |
Wahrzeichen über Halle-Neustadt. Eines der fünf Hochhäuser ist saniert, | |
dort sitzt die Stadtverwaltung, in einem anderen, etwas heruntergekommenen, | |
das Jobcenter. Die Fassade des mittleren Hochhauses wurde für Umbauarbeiten | |
demontiert, die 300 neuen Wohnungen sollten eigentlich schon 2020 fertig | |
sein. Zwei der Giganten sind ganz verlassen, großflächige Graffiti bedecken | |
die Hauswand. Sie gehören einem Privateigentümer, der nichts mit ihnen | |
anzufangen weiß. | |
Die fünf Scheiben sind ein Sinnbild für das zwischen Zerfall und Potenzial | |
stagnierende Halle-Neustadt. Die ehemals eigenständige Stadt war nach | |
Berlin-Marzahn das zweitgrößte städtebauliche Projekt der DDR, der Wohnort | |
für Arbeiter:innen der Chemieindustrie zählte mal 90.000 | |
Einwohner:innen. | |
An diesem Wochenende feierte „Ha-Neu“ sein 60-jähriges Bestehen mit dem | |
Festival „wohn_komplex“. Im Prisma-Kino, in der hintersten Ecke einer | |
dieser Einkaufszentren, die nach 1990 in so vielen Städten Ostdeutschlands | |
aus dem Boden schossen, fand als Auftakt der dreitägigen | |
Veranstaltungsreihe ein erstes Symposium zur Wendezeit in Halle-Neustadt | |
statt. Der Umbau des Stadtteils wurde damals größtenteils aus dem Westen | |
organisiert, zentrale Gebäude wie die Scheiben wurden an Privatinvestoren | |
verkauft. Viele junge, ausgebildete Menschen gingen weg, es blieben die | |
älteren Generationen. Innerhalb weniger Jahre halbierte sich die | |
Einwohnerzahl. | |
Heute ist Halle eine der Städte mit der stärksten sozialen Segregation in | |
Deutschland. Während die Mieten in der Altstadt mit ihren | |
Gründerzeithäusern stetig steigen, [1][stehen viele Plattenbauten von | |
Halle-Neustadt leer.] Trotzdem [2][wohne man gern im Stadtteil,] lässt sich | |
auf dem Festival vernehmen, vor allem wegen der günstigen Mieten und der | |
Nähe zum Grün – ein häufig übersehener Vorteil der DDR-Großsiedlungen. A… | |
es gebe eben zu wenig Möglichkeiten, seine Freizeit zu gestalten, einander | |
zu begegnen, keine Orte für Kultur, heißt es. Die Anonymität des | |
Massenwohnungsbaus, sie verschlimmere sich, je heruntergekommener sein | |
Zustand ist. Das kennt man doch auch aus den Banlieues von Paris, | |
eigentlich aus jeder Großsiedlung. Man muss sich eben um sie kümmern. Das | |
ist jedoch schwieriger, je mehr vom Stadtteil in privater Hand liegt. | |
Nicht weit entfernt vom Prisma-Kino befindet sich in einer kleinen | |
Nebenstraße, in einem unscheinbaren Verwaltungsgebäude der | |
Wohnungsgenossenschaft Bauverein, die Geschichtswerkstatt von | |
Halle-Neustadt. Es sind zwei kleine Zimmer am Ende eines schmalen Gangs. | |
Zum Festival quillen ihre Vitrinen über von Exponaten aus der Geschichte | |
von „Ha-Neu“, die Besucher:innen drängen sich aneinander. Dabei | |
mangelt es in Halle-Neustadt zumindest theoretisch nicht an freiem Raum. | |
Eine solche Ausstellung könnte doch auch in einer der leerstehenden | |
Scheiben stattfinden, in einer von den Privateigentümern. | |
Rosa Budde | |
16 Sep 2024 | |
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