Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Alles außer Bilder
> Klang, Licht, Duft, Wasser: Mit „After Images“ übt sich die Julia
> Stoschek Collection in Bildverweigerung. Entgehen lassen sollte man sich
> die Ausstellung allein schon wegen David Medalla nicht
Von Tilman Baumgärtel
Das Bild, das man bei der Julia Stoschek Foundation für die Ausstellung
„After Images“ als Logo für das Werbematerial ausgesucht hat, bringt das
Thema der Präsentation ganz gut auf den Punkt – gerade weil man auf ihm
wirklich nichts erkennen kann. Eine unscharfe, verdrehte Spiegelfolie? Die
Reflexion einer Glasscheibe in einer anderen Glasscheibe? Ein
semitransparenter Duschvorhang hinter Milchglas?
Unmöglich zu sagen. Das Bild zeigt einfach einen silbrig-transparenten
Blubbs, der irgendwas dahinter Liegendes in Grauschattierungen verschliert.
Selbst wenn man die Ausstellung gesehen hat, ist man nicht schlauer: Das
Bild scheint aus keiner der gezeigten Arbeiten zu stammen. Dass man dieses
Icon nicht auf die übliche Weise „lesen“ kann, passt zum Thema der
Ausstellung „After Images“, die für die nächsten gut sieben Monate in der
[1][Julia Stoschek Foundation] gezeigt wird. Denn während in den Räumen der
Privatsammlerin sonst meist Videos, Filme und Medieninstallationen zu sehen
sind, übt man sich diesmal im Ikonoklasmus: Klanginstallationen,
Lichtarbeiten, eine Augmented Reality oder auch ein Springbrunnen – alles
außer Werke mit Bildern, so könnte man das Thema der Ausstellung
umschreiben.
Denn die Julia Stoschek Foundation sammelt und zeigt keine Medienkunst, wie
man aufgrund des bisherigen Ausstellungsprogramms vermuten könnte. Wer das
Kleingedruckte auf der Website liest, erfährt, dass man auf „zeitbasierte
Kunst“ spezialisiert ist – und in Bewegung oder in Veränderungsprozessen
begriffen sind in der Tat die meisten Arbeiten, die in „After Images“ zu
sehen sind, auch wenn diese manchmal von so zäher Langsamkeit sind wie bei
der Arbeit „In Cascades“ von Lotus L. Kang: breite lichtempfindliche
Filmfolien in verschiedenen Brauntönen, die in breiten Bahnen von der Decke
hängen und nicht fixiert wurden, wodurch sich deren Aussehen durch den
Lichteinfluss langsam immer weiter verändert.
## Im Morse-Code flackern
In dem Stil geht es weiter: Giovanna Repetto hat Spiegel mit Filzstift so
bearbeitet, dass sie leider nichts mehr widerspiegeln. Bei der
Filminstallation „One Way Out“ (2009) von Rosa Barba wird ein leerer
Filmstreifen von einem Ventilator durch den Projektor gezogen. Theresa
Baumgartner lässt die Glühbirnen in den Gängen im Takt eines Morse-Codes
flackern. Und [2][Carsten Nicolai] hat bei „telefunken anti“ (2004) zwei
Flachbildmonitore mit der Bildschirmseite so an die Wand geschraubt, dass
man nur an den Rändern etwas schwarz-weißes Geflacker zu sehen bekommt.
Eher zum Riechen als zum Ansehen ist die nach Kampfer duftende Installation
„Adonia“ (2024) von Chaveli Sifre, die allerdings mit problematischen
esoterischen Verlautbarungen irritiert. Nach so viel medialer
Bilderstürmerei sehen selbst die minimalistischen Ölgemälde von Jo Baer aus
den 1970er Jahren wie kaputte iPads aus. Wer es gerne etwas extremer hat,
setzt sich dem halbstündigen Licht- und Lärmbombardement „Tower of Silence�…
(2024) von LABOUR (Farahnaz Hafam/Colin Hacklander) aus.
Man mag sich von dieser Bilderverweigerung angesprochen fühlen oder auch
nicht – einen guten Grund, sich die Ausstellung nicht entgehen zu lassen,
gibt es auf jeden Fall: die Arbeit „Cloud Canyons“ (1963) des
philippinischen Künstlers David Medalla, der in den 1960er Jahren die
Londoner Kunstszene mit seinen „Bubble Machines“ aufmischte – transparente
Plastikröhren, aus denen oben Seifenschaum herausflockt.
In einer Zeit, in der Künstlerinnen und Künstler mit den letzten
Konventionen der traditionellen Skulptur brechen wollten und nach einer
„Antiform“ suchten, war Medalla der Mann der Stunde und zeigte seine
„Blasenmaschinen“ 1969 bei [3][Harald Szeemanns] legendärer Ausstellung
„When Attitudes become Form“ und 1972 bei der documenta.
Danach verschwand er für Jahrzehnte weitgehend von der Bildfläche. Und auch
wenn er in der letzten Jahren wieder auszustellen begann (und als
DAAD-Stipendiat zeitweise auch in Berlin lebte), hat sich seine
künstlerische Karriere von der langen Abwesenheit nie richtig erholt. Daher
sind die Schaumskulpturen bis heute nur selten zu sehen, auch wenn die Tate
Gallery in London gerade eine von ihnen gekauft hat.
Die Herausforderung und die sinnliche Freude, die diese Arbeiten bis heute
auslösen, sollte man sich nicht entgehen lassen – auch wenn man diese
epochendefinierende Arbeit in der Ausstellung ruhig etwas solitärer hätte
inszeniert können.
„After Images“: Julia Stoschek Collection. Bis 27. April 2025
24 Sep 2024
## LINKS
[1] /!5854905&SuchRahmen=Print
[2] /!5960157&SuchRahmen=Print
[3] /!5668699&SuchRahmen=Print
## AUTOREN
Tilman Baumgärtel
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.