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# taz.de -- das wird: Battlerap nur mit sich selbst
> Grim 104 rappt auch nach dem Ende des Duos „Zugezogen Maskulin“ über
> Gewalt – ohne Ironie
Von Benjamin Moldenhauer
Eine Atmosphäre maximaler Aufgekratztheit und eine hohe Reizdichte
herrschte in der Musik des Berliner Duos Zugezogen Maskulin. Überall ist
Stress, vor allem in der Stimme von Grim 104, die in Hysterie die Texte
runterrasselt. Linus Volkmann hörte auf den vier Alben des Hip-Hop-Duos
„eine besonders migränige Version von KIZ“. Zugezogen Maskulin haben es bei
der Parodie auf Hip-Hop-Klischees aber nicht belassen, sondern noch vor KIZ
damit angefangen, so etwas wie kleine apokalyptisch gestimmte Sozialstudien
zu fabrizieren. In dem Bild der Welt, das hier gemalt wurde, ist der
Antagonismus überall. „Zersplittert in Atome / So was wie Gesellschaft gibt
es nicht / Nur Mods und Teds und Bloods und Crips / Und du und ich!“
Den Stress und die Überforderung angesichts von allem, worum es in diesen
Stücken geht, hat Grim 104 auch nach dem Ende von Zugezogen Maskulin weiter
als Grundlage für musikalische Stresszustände genommen. Wobei sich der
Fokus weg von der Welt als Ansammlung verfeindeter Gangs und hin zum „Und
du und ich“ verschoben hat.
Auf den beiden Soloalben „Imperium“ und „Das Ende der Nacht“ geht es um…
Versprachlichung des eigenen Lebens und der eigenen Kindheit und Jugend vor
allem. Der Zugezogen-Maskulin-Partner Hendrik Bolz hat sein Aufwachsen vor
zwei Jahren in der Autobiografie „Nullerjahre“ aufgeschrieben. Erzählungen
von Gewalt ziehen sich als zentrales Ordnungsprinzip durch das ganze Werk.
## Das Schlechte von innen auflösen
Auch auf den Soloalben schafft es Grim 104, die Gewalt in der Beschreibung
nicht als geil und edgy zu reproduzieren, sondern so von ihr zu rappen,
dass das Schlechte und Destruktive quasi von innen heraus aufgelöst werden
soll. In Abgrenzung zum sonstigen Zeckenrap, der gern von außen definiert,
was alles furchtbar scheiße und zerstörungswürdig ist. In fast allem wird
von der Erfahrung, nicht von der Schlechtigkeit der anderen ausgegangen.
Und damit auch von der eigenen. In der Strophe, die Grim 104 zum Track
„Boys don’t cry“ von Team Avantgarde beigesteuert hat, geht es zum Beispi…
um Jungmänner, die gelernt haben, dass ein Gefühl von Männlichkeit und
Stärke sich am einfachsten mit Gewalt und Selbstverhärtung herstellen
lässt. „Und ich bin weich / Aber ich will es nicht sein / Überspiele meine
Schwäche / Wäre so gerne ein Stein“. Das klappt dann auch, zum Beispiel,
indem man gemeinsam mit den Kumpels einen Obdachlosen quält: „Wir sind vier
böse Katzen / Eine Maus wird umringt / Wir sind lachende Kids mit
verzerrten Gesichtern / Er hält die Hand vors Gesicht und versucht noch zu
schlichten“. Dann wird geschubst, geschlagen und gejagt. Moralisch
angeprangert wird in dem Text nicht, sondern erzählt. „Ich lache und johle
und schieße und weiß / Es ist schlimm, was wir machen, aber das macht es so
geil“.
Der Grund, warum Grim 104 mit Zugezogen Maskulin und als Solokünstler nie
so erfolgreich werden wird wie zum Beispiel KIZ oder die Antilopen Gang,
liegt unter anderem daran, dass hier keine wohlfeile Ironie und keine
Souveränitätssimulation zu finden ist – und wenn Battlerap, dann nur im
Kampf mit sich selbst. Den hat Grim 104 schon vor zehn Jahren auf seinen
Solosachen zum Programm erklärt. „Ihr könnt gerne euern Frieden machen,
aber nicht mit mir / Steh mir unversöhnlich gegenüber, Grim104“. Deutscher
Rap als wirklich einmal ernstgemeinter und ernstzunehmender
Ausnahmezustand.
Sa, 28. 9., 20 Uhr, Hamburg, Knust; So, 20. 10., 20 Uhr, Göttingen, Musa
27 Sep 2024
## AUTOREN
Benjamin Moldenhauer
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