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# taz.de -- Niemand glücklich mit Migrationspaket
> Während CDU und CSU die von der Ampel geplanten Verschärfungen nicht weit
> genug gehen, sind Menschenrechtler*innen entsetzt. Die Grünen
> bleiben eher kleinlaut
Bild: Hingerumpelt: Zivilgesellschaftliche Organisationen bewerten das Maßnahm…
Von Frederik Eikmanns und Marie Sophie Hübner
Während Menschenrechtler*innen das jüngste Migrations- und
Sicherheitspaket der Bundesregierung scharf kritisieren, fordert die Union
noch weitergehende Verschärfungen. Auch der Abschiebeflug ins von den
Taliban beherrschte Afghanistan am Freitag reicht den CDU- und
CSU-Politiker*innen nicht. Die Grünen schweigen derweil weitgehend zu den
Maßnahmen, gegen die sie sich zuvor stets gesperrt hatten.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Marco Buschmann (FDP) hatten
das Maßnahmenpaket am Donnerstag vorgestellt, mitverhandelt hatte auch
Grünen-Vizekanzler Robert Habeck. Hintergrund ist der mutmaßlich
islamistische Messeranschlag von Solingen. Das Paket sieht mehr Kompetenzen
für Sicherheitsbehörden und deutliche Verschärfungen im Waffenrecht vor,
vor allem aber auch weitere Einschränkungen für Geflüchtete. Sie sollen
noch leichter abgeschoben werden können, wenn sie straffällig werden, das
soll auch Jugendliche betreffen. Geflüchteten, für deren Asylantrag nach
dem Dublin-System andere EU-Staaten zuständig sind, sollen Sozialleistungen
gestrichen werden, sofern der Aufnahmestaat sie auch tatsächlich
zurücknehmen will.
Auch das Ziel, wieder nach Syrien und Afghanistan abzuschieben, hatte
Faeser am Donnerstag bekräftigt. Kurz darauf hob zum ersten Mal seit über
drei Jahren ein Abschiebeflieger mit 28 afghanischen Straftätern ab.
Vermittelt hatte dafür offenbar Katar.
Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder bemängelte am Sonntag, die
Maßnahmen der Ampel reichten nicht aus. Es brauche eine große Kehrtwende in
der Migrationspolitik. „Wir müssen das Asylrecht ändern, es ist nicht mehr
zeitgemäß. Wir müssen all jene an den deutschen Grenzen zurückweisen
können, die klar erkennbar keinen Anspruch auf Schutz haben“, sagte Söder
der Welt am Sonntag. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der
Bild am Sonntag: „Ich erwarte von Innenministerin Faeser, dass nächste
Woche der nächste Abschiebeflug nach Afghanistan stattfindet.“
Schon am Freitag hatte CDU-Chef Friedrich Merz mitgeteilt, er sehe
Deutschlands Politik und Gesellschaft an der „Überforderungsgrenze“.
Indirekt forderte auch er Zurückweisungen an den Grenzen. Für diese gibt es
allerdings hohe juristische Hürden: Auch wenn ein Geflüchteter bereits in
einem anderen EU-Staat registriert wurde, muss sein Antrag im Normalfall
geprüft werden, wenn er hier um Asyl bittet. Er oder sie darf nicht einfach
abgewiesen werden.
Die Grünen äußerten sich derweil zurückhaltend. Die Fraktionschefin im
Bundestag, Britta Haßelmann, bezweifelte gegenüber der Mediengruppe Bayern,
dass die Kürzung von Sozialleistungen rechtens sei. Sie sprach von „sehr
klaren Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf das
Existenzminimum für alle Menschen, auch für Geflüchtete.“
Der grüne EU-Abgeordnete Erik Marquardt sagte der taz dazu: „Ich wünsche
mir sehr, dass nicht hektisch irgendwas beschlossen wird, sondern, dass im
Gesetzgebungsverfahren sehr genau überlegt wird, was wirklich sinnvoll
ist.“ Über den Abschiebeflug sagte er: „Niemand will diese schweren
Straftäter in Deutschland behalten.“ Es gebe aber offene Fragen: Was hat
Katar dafür bekommen? Und was die Taliban? Es müsse außerdem unbedingt
darauf geachtet werden, „dass nicht bald auch unschuldige Personen
abgeschoben werden, die vor den Taliban geflohen sind.“
Und der Grünen-Bundestagsabgeordnete Julian Pahlke sagte der taz mit Blick
auf die Abschiebung: „Schwerkriminelle können keinen Schutz erwarten.“ Es
stellten sich aber „rechtliche Fragen, ob die Abschiebung am Freitagmorgen
auf diese Weise hätte durchgeführt werden dürfen.“ Der Rechtsstaat zeichne
sich „dadurch aus, dass Täter überführt und vor Gericht gestellt werden und
ihre Strafe vollständig verbüßen.“
Wirklich scharfe Kritik kam nur von der Grünen Jugend. Katharina Stolla,
eine der zwei Bundessprecherinnen, sagte der taz: „Das Asylpaket der Ampel
ist die falsche Antwort auf die schreckliche Tat von Solingen.“ Statt
Islamismus effektiv zu bekämpfen, stellen die Pläne „ganze Gruppen unter
Generalverdacht.“ Die Kürzungen bei Dublin-Fällen seien nicht nur unwürdig,
sondern liefen sogar Gefahr, dass die Betroffenen sich dadurch erst
radikalisierten. Die Abschiebung nach Afghanistan seien für Stolla „durch
nichts zu rechtfertigen.“
Die migrationspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, Rasha Nasr,
kritisierte nicht nur die Abschiebungen nach Afghanistan, sondern mahnte
auch: „Verstärkte Kontrollen, weitreichendere Kompetenzen der
Polizeibehörden und der Einsatz von KI brauchen Augenmaß und müssen
rechtssicher erfolgen.“ Und die Verschärfungen im Asylrecht seien genau das
falsche Signal: „Pauschaler Leistungsentzug und die Ausweitung von
Strafmaßnahmen gegen geflüchtete Jugendliche führen zu Ausgrenzung und
Spaltung.“
Kritisch äußerten sich auch Vertreter*innen von zivilgesellschaftlichen
Organisationen. Pro Asyl teilte etwa mit, die aktuellen Vorschläge zur
Streichung der Leistung für Dublin-Fälle seien „absehbar
verfassungswidrig“. Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher der
Organisation, betonte, dass „eine Zusammenarbeit mit den Taliban – auch
über Bande“ Terrorismus und Islamismus fördere, anstatt sie zu bekämpfen.
2 Sep 2024
## AUTOREN
Frederik Eikmanns
Marie Sophie Hübner
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