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# taz.de -- Eine ganz andere Erzählung
> Bei den Off Days in der Zitadelle Spandau traf Conscious-Rapperin Enny
> mit ihren politischen Texten auf Social-Media-Phänomen Marc Rebillet –
> Markenzeichen Bademantel – und den komplexen, manchmal traumwandlerischen
> Sound von US-Produzent Flying Lotus
Von Benjamin Moldenhauer
Das Programm der zweitägigen Konzertreihe Off Days wirkt auf den ersten
Blick schon ziemlich disparat. In der Zitadelle Spandau spielten am zweiten
Tag Enny, Marc Rebillet und Flying Lotus: einmal Conscious-Rap, einmal
TikTok-Bumstechno und einmal
Electronics-Jazz-HipHop-und-alles-andere-Avantgarde, mit jeweils völlig
unterschiedlichem Gestus und einer komplett anders gelagerten
Soundästhetik.
Als allererster Eindruck blieb aber vor allem die Verwunderung darüber,
dass trotz eines Ticketpreises von kapp 95 Euro für einen Platz vor der
Bühne, die Veranstalter nennen es den „Golden Circle“, mehr als drei
Viertel der Karten weggingen. Wer einen Early Entry haben, also 30 Minuten
früher über einen separaten Eingang in die Zitadelle gelotst werden wollte,
konnte auch 135 Euro zahlen.
Dass es trotz dieser Preise voll war, wird an [1][Marc Rebillet] gelegen
haben, dem eigentlichen Headliner. Jedenfalls war der Anteil der mit
lustigen Bademänteln verkleideten Menschen im Publikum sehr hoch. Als erste
aber spielte [2][die Londoner MC Enny] HipHop mit politisch aufgeladenen
Texten. „Peng Black Girls“ war 2020 ein viraler Hit, ein musikalisch
reduzierter Conscious-Track und ziemlich das Gegenteil von Party-HipHop.
Also eher in der Linie von Boogie Down Productions als von Cardi B.
Die Antithese kam dann direkt hinterher: ein feierwütiger, halbnackter
Mann, der rumbrüllt. Marc Rebillet ist schon 2018 zu etwas geworden, was
man gerne Social-Media-Phänomen nennt. Von damals noch 500
Facebook-Abonnenten auf eine paar Millionen Youtube-Klicks in wenigen
Monaten. In seinen frühen Clips sieht man Rebillet, gerne nur mit eben
einem Bademantel und Shorts bekleidet, auf eher spartanischem Equipment
einen betont lustigen HipHop-Funk zusammengedengelt. Das ganze hat sich
live, obwohl auch auf der Bühne, von zwei, drei Hits abgesehen, alles
zusammenimprovisiert wird, zu einer routinierten Showroutine entwickelt,
mit Hüpfburg, pimmelförmigen Aufblaskissen und Feuergedöns. Wenn es einen
kriegt, ist das bestimmt super. Wenn man eher teilnahmslos bleibt, wirkt
das lustige Spektakel wie Weird Al Yankovic auf Wish bestellt.
Die Musik an dem Abend war technolastiger als in den Videogeschichten
Rebillets, und das war dann auch der Link zum Gig von Flying Lotus, der
sich den Gegebenheiten anpasste und Klicken, Jazz-Samples und Gefrickel im
Vergleich zu seinen Alben zurückfuhr. Zugunsten von einem über längere
Strecken als sonst in dieser Musik durchgehenden Beat, an dem alles andere
aufgehängt wurde.
Die Musik auf den Alben des DJs und Produzenten Steven Ellison, die er
unter dem Namen Flying Lotus veröffentlicht hat, ist vor allem erst einmal
unheimlich reich: reich an Schichten, die übereinander gelegt werden, reich
an Verweisen auf die Geschichte Schwarzer Musik in den USA und nicht
zuletzt schlicht reich an zugemischten Klängen, bei denen man nicht weiß,
wie sie eigentlich in das passen, was da gerade passiert. Und die dann aber
doch immer wie traumwandlerisch ins Bild eingelassen werden. Das klingt
dann passagenweise immer wieder, als würden Jazz, HipHop und das Gesamtwerk
von Jeff Mills durch den Mixer geschickt, um zu etwas Neuem zu werden. Das
ergibt musikalisch noch einmal eine ganz andere Erzählung als den
vorangegangenen anderthalbstündigen Witz.
26 Aug 2024
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## AUTOREN
Benjamin Moldenhauer
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