# taz.de -- Selfie-Wahn weltweit: Der Tod als Pose | |
> Influencer tummeln sich zu Hunderten an Schauplätzen, schubsen sich | |
> beiseite, um den besten Hintergrund für ihre exklusive Einsamkeit zu | |
> erlangen. | |
Bild: Frau vor Kirschblüten: Viele jagen blindlings jeder formschönen Attrakt… | |
Das Internet ist eine frühtödliche Stolperfalle“, sagt die Freundin und | |
legt ihr Telefon auf den Bistrotisch. | |
„Nur wenn man blindlings jeder formschönen Attraktion für das makellose | |
Selfie hinterherjagt“, sagt die andere und faltet in Nullkommanix einen | |
Schwan aus ihrer Serviette. | |
„Sie tummeln sich zu Hunderten weltweit an Schauplätzen, schubsen sich grob | |
beiseite, um den besten Hintergrund für ihre exklusive Einsamkeit zu | |
erlangen.“ | |
„Bis sie schwindelig von all der glatten Schönheit abrutschen und in die | |
Tiefe plumpsen.“ | |
„Was für ein sinnloser Tod.“ | |
„Welcher Tod hat denn Sinn?“ | |
„Und welches Leben?“ | |
„Was ist überhaupt Sinn?“ | |
## Wenn das Leben ein Recyclinghof ist | |
„Mehrwert?“ | |
„Das Leben, ein Recyclinghof.“ | |
„Und wenn der gesteigerte Mehrwert für einige das soundsovielte perfekte | |
Foto für Dopamin ist, na und?“ | |
„Ist doch schnurz, wer wie sein Leben verramscht.“ | |
„Aber warum genau hat die tote [1][Influencerin] überhaupt kommunikative | |
Relevanz?“ | |
„Quantitativ? Bereits viele Hunderte starben beim Versuch, ein Selfie zu | |
machen.“ | |
„Na und?“ | |
„Wer es ständig auf den Gipfel treibt, sollte rechtzeitig wieder | |
runterkommen.“ | |
„Aber warum müssen wir darüber reden?“ | |
„Es ist Teil der Entwicklung unserer akuten Gesellschaft.“ | |
„Ich kenne niemanden, der das macht.“ | |
## Für Geld absurde Dinge machen | |
„Aber wir machen doch alle absurde Dinge für Geld.“ | |
„Mit Kollegen auskommen.“ | |
„Glaub’, die Bestätigung treibt die Fotofreaks noch mehr an als das Geld.�… | |
„Alles wegen der Feelings.“ | |
„Adrenalin ist the Answer.“ | |
„Hier steht, einer Studie zufolge waren es in einem Jahr 379 | |
Selfie-bedingte Todesfälle. Alles dabei: Hochhaus, Berg, Balkon, Schlucht, | |
Pool, Wasserfall.“ | |
„Das Selbst inszeniert seinen eigenen Tod in Vollendung.“ | |
„Also ist es Kunst?“ | |
„Das ästhetische Nirwana!“ | |
„Aber was kommt danach?“ | |
„Na, eben nur noch der Himmel.“ | |
„Nun ergibt alles einen Sinn.“ | |
„Als finaler Schritt der Klimax bleibt ja nur noch die Wolke.“ | |
„Der überehrgeizige Sprung direkt ins Wolkenkuckucksheim.“ | |
„Ach, so ein Tod an einem imposanten Ort hat auch was.“ | |
„So vom Ding her schon.“ | |
„Aber wie sollen die Follower denn dann noch folgen?“ | |
## Im Jenseits kein Internet | |
„Im Jenseits gibt’s kein WLAN.“ | |
„Die Follower folgen einfach ihrem niedersten Impuls und posten eine | |
tränenreiche Story.“ | |
„Und die Tränen bringen den Followern Follower.“ | |
„Für die sie bald schon super-duper-happy vor einem gigantischen Wasserfall | |
tanzen.“ | |
„Das ist die ganze Angelegenheit in chronischer Rotation.“ | |
„Ruchlos, turbulent und öde zugleich.“ | |
„Und führt bei zu großer Hartnäckigkeit zum verfrühten Tod.“ | |
„Das Leben führt doch so oder so zum Tod.“ | |
„Aber muss es ein alberner sein?“ | |
„Über den dann nicht mal jemand lacht.“ | |
„Risiko ist nicht lustig.“ | |
„Schönheit auch nicht.“ | |
„Aber alles in allem aber unterhaltsam.“ | |
„Ist der Sinn des Lebens vielleicht: gute Unterhaltung, egal was.“ | |
„Wie früher im Zirkus die Messerwerfer!“ | |
„Warum will man womöglich von [2][Messern] getroffen werden oder dabei | |
zusehen, wie jemand getroffen wird?“ | |
„Um was zu spüren?“ | |
„Das man da ist.“ | |
„Bis man weg ist.“ | |
16 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Jasmin Ramadan | |
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