# taz.de -- Mehr Schutz für Kinder und Jugendliche | |
> Kabinett beschließt ein Gesetz für mehr Prävention und Aufarbeitung von | |
> sexuellem Missbrauch | |
Von Emma Tries | |
Ein neues Gesetz der Bundesregierung soll staatliche Strukturen gegen | |
sexuellen Kindes- und Jugendmissbrauch stärken. Der entsprechende Entwurf | |
vom Bundesfamilienministerium wurde am Mittwoch im Kabinett beschlossen. | |
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) setzt damit ein Vorhaben aus dem | |
Koalitionsvertrag um. | |
Hauptziel sei es, eine:n Unabhängige:n Bundesbeauftragte:n für | |
Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) dauerhaft gesetzlich zu | |
verankern, sagte Paus in einer Pressekonferenz am Mittwoch in Berlin. Die | |
Stelle gibt es zwar schon seit 2010, sie wurde kurz nach dem | |
Missbrauchsskandal, der am Berliner Canisius-Kolleg aufgedeckt wurde, | |
etabliert. Bisher war sie jedoch nicht gesetzlich verankert. Dadurch | |
befindet sich der oder die Missbrauchsbeauftragte auf gleicher Ebene mit | |
beispielsweise Wehr- oder Datenschutzbeauftragten, welche regelmäßig einen | |
Bericht zur aktuellen Lage sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche | |
vorlegen. | |
Zudem sollen der Betroffenenrat und die Aufarbeitungskommission gesetzlich | |
verankert werden. Diese widmen sich den Anliegen von Betroffenen und führen | |
Untersuchungen aufgrund von Betroffenenanhörungen aus. Die derzeitige | |
Missbrauchsbeauftragte Kerstin Claus betonte, dass vor allem die | |
Berichtspflicht ein wichtiger Bestandteil sei: „Das ist die politische | |
Säule dieses Gesetzes“, sagte sie. | |
Laut Polizeilicher Kriminalstatistik wurden im letzten Jahr 18.000 Fälle | |
von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen festgestellt. 2.000 | |
der Betroffenen waren unter sechs Jahre alt. Es sei jedoch davon | |
auszugehen, dass die Dunkelziffern weitaus höher seien, so Claus. „Diese | |
Zahlen sagen nichts über das reelle Ausmaß aus“, sagte sie. Weitere | |
Forschung, um sich diesen Zahlen anzunähern, sei notwendig, „damit diese | |
Zahlen eine Richtschnur für das politische Handeln werden können“. | |
Um Betroffene bei der individuellen Aufarbeitung zu unterstützen, sollen | |
Jugendämter dazu verpflichtet werden, ihnen Einsicht in ihre Heim-, | |
Vormundschafts- oder Erziehungshilfeakten zu geben. Gleichzeitig soll der | |
Prozess der Akteneinsicht persönlich begleitet werden, damit Betroffene | |
keine Retraumatisierung erfahren. | |
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung soll darüber hinaus | |
verpflichtet werden, in Zusammenarbeit mit den Ländern Informationen und | |
Angebote zur Prävention zu entwickeln und Kinder- und Jugendeinrichtungen | |
mit Schutzkonzepten unterstützen. | |
Das Recht auf individuelle Aufarbeitung und die Verpflichtung von | |
Institutionen, wie im Gesetz vorgesehen, stärke die Opfer: „So können sich | |
Strukturen dem Thema der Aufarbeitung nicht mehr entziehen“, erklärte | |
Claus. Ein Opferfonds, der Betroffene unter anderem finanzielle | |
Unterstützung für Therapien und Bildungsmaßnahmen bieten würde, wurde nicht | |
mit ins Gesetz aufgenommen. Für die Umsetzung des Gesetzes wurden 2,5 | |
Millionen Euro veranschlagt. Auf die Frage, ob dies ausreichend sei, | |
antwortete Claus, dass der Betrag ein Anfang sei. „Wenn festgestellt wird, | |
dass es nicht reicht, wird die Finanzierung Teil des politischen Diskurses | |
werden.“ | |
20 Jun 2024 | |
## AUTOREN | |
Emma Tries | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |