# taz.de -- Die Kunst der Polit-Keramik | |
> In der Galerie Lars Friedrich weckt Peter Wächtler mit Mauerfragmenten | |
> Assoziationen | |
Von Hans-Jürgen Hafner | |
Wenn nicht gleich als Aktivismus, kommt Kunst, die sich politisch versteht, | |
heute meist als audiovisuelle Kommunikation einer der vielen Krisen dieser | |
Welt daher. Oder sie vollzieht sich als Veranstaltung, die die | |
neubürgerlichen Leittugenden der Diversität, Inklusion und Togetherness in | |
Form von Mitmachspektakeln möglichst direkt unter die Leute bringt. | |
Politische Kunst will derzeit vor allem nützlich sein – auf die Gefahr hin, | |
als Kunst unkenntlich zu werden. Sie kommt besonders dort vor, wo der Staat | |
Geld gibt. Ihr Biotop findet sie in der Kiezkultur genauso wie im | |
internationalen Großausstellungswesen. | |
In Galerien, die sich mit dem Tausch von Kunstware gegen Geld mehrheitlich | |
mühsam über Wasser halten, ist politische Kunst eher selten. Daher braucht | |
es vielleicht einen zweiten Blick, um das Politische zu ahnen, das | |
[1][Peter Wächtlers] aktuelle Schau „Die Ersten“ bei Lars Friedrich birgt. | |
Wächtler (Jahrgang 1979) zeigt, was wohl niemand so ganz dringend braucht: | |
zumal die drei keramischen Objekte – groß, schwer, sperrig und nur mäßig | |
„schön“ – auf geschweißten Stahltischen so erhöht stehen, dass sie ein… | |
glatt die Sicht versperren. Das passt zum Thema der Skulpturen. Es sind | |
Mauerfragmente: Modelle ruinöser Stütz-, Stau- oder Brandmauern mit klar | |
differenzierten Vorder- und Rückseiten. Als wären sie aus einem größeren | |
Verbund herausgebrochen, sind den Objekten die Spuren ihrer Herstellung, | |
die modellierende Hand des Künstlers geradezu demonstrativ in die irdenen | |
Oberflächen eingetragen. Sie werden von drei großen Zeichnungen – Porträts | |
der Mauerstücke – auf selbstgebastelten Bildträgern flankiert. | |
Nun kennt man aus Wächtlers Arbeit elegant durchgearbeitete | |
allegorisch-groteske Szenen, die als Malerei, in Skulptur- und | |
Objektensembles aber auch als digital animierter Film zur Aufführung | |
kommen. Seine Ausstellungen werden gern zu Bühnen, auf denen eine | |
anachronistische, aus Romantik und Volkskunst schöpfende Märchenwelt mit | |
Sinn fürs zeitdiagnostisch Groteske verschmilzt. So karg, fast schon aufs | |
Abstrakte heruntergebrochen wie bei diesen „Mauer“-Variationen geht es eher | |
selten zu. | |
Dennoch: Form und Inhalt gewinnen an Brisanz, sobald man den „Mauer“-Plot | |
auf seine Rolle in politischen Diskursen – Trumps schockierend reale Mauer, | |
die metaphorisch mal mehr, mal weniger bröckelnde Brandmauer gegen rechts | |
usw. – abzuklopfen beginnt. Und dabei zugleich feststellen muss, wie | |
kunstvoll und künstlerisch gewollt sich Sinnbild und Materialisierung in | |
dieser Schau verbinden. Als Besucher*in kann man gar nicht anders, als | |
sich zu Modellen und Bildern aktiv zu positionieren. Das hat mit Wahl, mit | |
Entscheidung, aber auch mit der Reflexion des Standpunkts zu tun: ob man | |
nun vor oder hinter den Mauern steht oder zwischen die Fronten materialer | |
Präsenz gebrannter Keramik und piktoraler Repräsentation in Kohle und | |
[2][Rötel] geraten ist. Prima zu sehen, dass die gute alte Werkform | |
gleichermaßen künstlerisch wie politisch anschlussfähig gemacht werden | |
kann. | |
Peter Wächtler: „Die Ersten“, Galerie Lars Friedrich, bis 15. Juni | |
30 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Hans-Jürgen Hafner | |
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