# taz.de -- das wird: „Die Leute ziehen weg oder wechseln den Beruf“ | |
> Es geht ums Geld: Diskussion über die Zukunft der freien | |
> Darstellenden-Szene in Hamburg | |
Interview Katrin Ullmann | |
taz: Jens Dietrich, wenn die freien darstellenden Künste in Hamburg ein*e | |
Patient*in wären: Wie würden Sie ihren Zustand beschreiben? | |
Jens Dietrich: Anämisch und chronische Schmerzen bei gleichzeitiger | |
Renitenz, nicht kürzer zu treten. Die Szene ist in den vergangenen fünf | |
Jahren stark gewachsen, der Dachverband hat seine Mitgliederzahl auf 300 | |
verdoppelt. Es gibt mehr internationale Kooperationen und gleichzeitig wie | |
überall erhebliche, steigende Produktionskosten. Das Fördervolumen ist seit | |
2019 unverändert geblieben. Nur 18 Prozent der beantragten Projekte wurden | |
für das Jahr 2024/25 bewilligt. Wenn wir das mit einem Theaterhaus | |
vergleichen, bekämen von 100 Mitarbeitenden 82 kein Gehalt mehr. | |
Aber die Szene überlebt? | |
Sie ist trotz allem total lebendig, aber – und das bekomme ich von vielen | |
Künstler*innen zu hören – das hält nicht mehr lange vor. Die Leute | |
ziehen weg oder wechseln den Beruf. Das kann sich zu einem herben Verlust | |
für Hamburgs Kultur auswachsen. | |
Was könnte helfen? | |
Es braucht vermehrt Ressourcen, Zugänge, eine Aufstockung der Projektmittel | |
und insbesondere die Verbesserung der räumlichen Infrastruktur etwa in | |
Hinblick auf die Ausstattung der Häuser ebenso wie in Bezug auf bezahlbare | |
Proberäume. | |
Sie treffen auf dem Podium nun auch auf den Kultursenator. Welche Frage | |
brennt Ihnen auf den Nägeln? | |
Was ist der langfristige Plan für die freie Szene? Wie ist die Vision der | |
Kulturbehörde, wie Künstler*innen in Hamburg produzieren können? Wir | |
haben von unserer Seite aufgrund eines Gutachtens aus dem Herbst konkrete | |
Forderungen für den nächsten Doppelhaushalt gestellt. Für uns ist wichtig, | |
wie die Perspektive seitens der Politik für die nächsten zehn Jahre | |
aussieht. | |
Sollte dann statt des Kultursenators nicht der Finanzsenator, Andreas | |
Dressel, da sitzen? Und sollte das Podium nicht einfach im Hamburger | |
Rathaus stattfinden? | |
Kampnagel und das Festival „Fringify“ sind der richtige Ort. Es geht jetzt | |
darum, als Szene deutlich zu zeigen, dass wir trotz der katastrophalen | |
Förderquote noch nicht auseinandergefallen sind und zusammen kämpfen. | |
Senator Brosda steckt gerade in den Verhandlungen mit Herrn Dressel und | |
wird da für uns einstehen. Bei der nächsten Veranstaltung laden wir den | |
Finanzsenator ein – nach einem gemeinsamen Besuch im Theater. | |
Der Zustand der freien Szene wird immer wieder dokumentiert, auch darüber | |
diskutiert. Ändert sich auch mal etwas zum Guten? | |
Wir bohren dicke Bretter und arbeiten mit den anderen Landesverbänden | |
zusammen, um die ergänzende Förderung von Landes- und Bundespolitik | |
auszubauen. Die einzelnen Aktivitäten zielen darauf, eine langfristige | |
Verbesserung für frei produzierende Künstler*innen zu erzielen. 2023 gab | |
es die Aktion „Freie Szene trifft Politik“. Diese Woche sind wir mit einer | |
Insta-Kampagne gestartet, um auch die Öffentlichkeit zu erreichen. | |
Was macht Ihnen Hoffnung? | |
Die Künstler*innen machen weiter, das ist so ein Grundbedürfnis. Utopien | |
und Kritik werden in der Kunst ausgehandelt. Was jede Gesellschaft braucht. | |
Damit sich dieses Potenzial entfalten kann und Wirkung zeigt und | |
Künstler*innen sozial abgesichert sind, braucht es Investitionen von | |
Seiten der Politik und Gesellschaft. | |
7 Jun 2024 | |
## AUTOREN | |
Katrin Ullmann | |
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