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# taz.de -- Ausgehen und rumstehen von Marielle Kreienborg: Frittieren wie Soph…
Kein Wochenende ohne Pizza: Seit vor zehn Jahren die erste neapolitanische
Pizzeria Standard das Niveau von Pizzen in Berlin auf einen neuen Standard
gehoben hat, sprießen Pizzerien wie Pilze aus Boden. Doch obwohl die
Variationen des einst armen Gerichtes im Spätkapitalismus nahezu unbegrenzt
sind, ist es weiterhin schwierig, eine Pizzabäckerin am Ofen oder beim
Teigausrollen zu sehen.
„Woran liegt das?“, frage ich die einzige Pizzabäckerin in der Stadt, die
ich ausfindig machen kann: Tina ist pizzaiola bei Futura-Pizza im
Friedrichshainer Bänschkiez. Auch sie kennt in Berlin nur eine weitere
Pizzabäckerin: „Meine Mitbewohnerin. Wir haben zusammen beim Franchise der
L’antica Pizzeria da Michele (Julia Roberts isst in [1][„Eat Pray Love“]
dort ihre Pizza) in Berlin gearbeitet.“ Eigentlich würden die beiden
Pizzabäckerinnen gern ihre eigene Pizzeria eröffnen, „aber das ist schwer,
ohne Eigenkapital, mit sprachlichen und bürokratischen Barrieren“. Die
Antwort auf meine Frage sieht Tina mehr in Vorurteilen als in physischen
Vorteilen: „Als ich mich für den Ausbildungskurs angemeldet habe, haben sie
mich gefragt, ob ich für meinen Mann anrufe.“ Männer trauten Frauen das
Spiel mit dem Feuer ebenso wie die körperlichen Anstrengungen der Arbeit
nicht zu: „Für Frauen ist die kleinere, frittierte Version der Pizza, die
Pizza fritta, gedacht. Die können sie daheim frittieren und verkaufen, wie
Sophia Loren in „Das Gold von Neapel“, während sie gleichzeitig die Kinder
hüten.“
Für Tina war es ein Erweckungserlebnis, als kleines Mädchen eine
Pizzabäckerin zu sehen: „Von da an wollte ich nur noch in diese Pizzeria,
weil ich ihr dort zuschauen konnte.“ Später arbeitete sie sich selbst vom
Kellnern zum Frittieren zur Teigherstellung für glutenfreie Pizza zur
Pizzabäckerin vor: „Ich habe immer wieder gefragt: ‚Bitte, lasst mich auch
mal probieren, meine eigene Pizza zu machen.‘“ Die Kollegen ließen sie
gewähren, doch sie habe auch Chefs gehabt, „die sich bei der
Teigherstellung eingeschlossen haben.“ Ein Pizzabäcker gebe sein Handwerk,
ebenso wie sein Lokal, traditionell an seinen Sohn weiter: „Frauen, so die
Legende, können keine Pizza machen, weil sie ihre Tage bekommen und die
Blutung das Aufgehen des Teigs verhindert. Sogar meine Oma hat mir das
gesagt: ‚Fass die Pflanzen nicht an, wenn du deine Tage hast. Die sterben
sonst.‘“
Um Entmythisierung ging es schon am Donnerstagabend in der literaturensohn
Buchhandlung auf der Lesung zu Edith Löhles Debütroman „Bible Bad Ass“ ü…
unsichtbare weibliche Figuren in der Bibel. „Der Jungfrauenkult zum
Beispiel“, sagte Coco Meurer, Inhaberin der Buchhandlung, im Gespräch mit
der Autorin, „ich finde das echt krass, dass das ja eigentlich’ne ‚junge
Frau‘ war.“ In der hebräischen Bibel sei nämlich von einer „jungen Frau…
die Rede gewesen. Die griechische Übersetzung hätte aus ihr dann eine
Jungfrau gemacht. Ich fühlte mich unwissend wie heterosexuelle Brautpaare,
die sich zu „Ruth 1,16 f.“ trauen lassen, ohne zu wissen, dass dieser
Treueschwur von einer Frau (Ruth) an eine Frau (Naomi) gerichtet war.
Apropos Frau: Wie Maria Magdalena, die es mit ihrem „Evangelium nach Maria“
(zu sehen im Ägyptischen Museum) nicht in den Bibel-Kanon geschafft hat,
blitzte auch Edith Löhle mit ihrem Manuskript bei vielen Verlegern ab:
„Aber gerne mal auf einen Wein“, zitierte Löhle eine Absage. Auch den
Arschloch-Chef, der die Menstruation „Erdbeerwoche“ nennt, hätte sie sich
nicht ausdenken müssen, berichtete sie: „An einer Stelle hebt er so
pseudolässig das Bein, um der Protagonistin sein whole package zu zeigen.
Und da rief mich dann eine Kollegin an und meinte: ‚Ich weiß genau, wer er
ist und er macht’s immer noch!‘“
4 Jun 2024
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## AUTOREN
Marielle Kreienborg
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