Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ausgehen und rumstehen von Maxi Broecking: Die Bahnen sind voll,die…
Ein Pfingstsonntag voller Möglichkeiten. Die Sonne scheint mitten auf das
Bett, ein Strauß Pfingstrosen leuchtet aus der Vase daneben. Zuerst das
Gesicht in die Sonnenstrahlen strecken, dann gemütlich ein wenig
herumtrödeln, Kaffee trinken und den Hund an dieser knuddelig weichen
Stelle hinter den Ohren streicheln. Die Welt kann doch so schön sein.
Ein Ausflug in den Grunewald ist jetzt genau das Richtige. Die Bäume
erheben sich wie eine Kathedrale aus Grün über dem mit Kiefernzapfen
bedeckten Boden. Es ist, ungewöhnlich für sonntags, kaum jemand unterwegs.
Aber es ist Pfingstsonntag, und vielleicht ist Berlin ja plötzlich ganz
leer und alle sind weggefahren. Am See wird es dann etwas voller, Hunde
tauchen nach ihrem Spielzeug und ein paar Ästen, andere trauen sich nicht
so recht und strecken nur kurz eine Pfote ins Wasser. Nach der Seeumrundung
und einer Erkundung des „Fitness-Pfades“ über sanft knackenden Zweigen geht
es zurück in das heimatliche Kreuzberg. Für den Nachmittag könnte ein
Spaziergang zum Umzug des Karnevals der Kulturen doch ganz nett sein.
Doch schon die gestresste U-Bahn-Ansage, die Station Mehringdamm sei
gesperrt, Gneisenaustraße auch und Südstern müsse man gar nicht erst
versuchen, lässt nicht wirklich vermuten, Berlin sei plötzlich ganz leer.
Tatsächlich ist in die bereits überfüllten Waggons kein Hineinkommen
möglich und eine größere Ansammlung gemischter Altersgruppen staut sich auf
dem Bahnsteig.
Also laufen. Ein Spaziergang den Mehringdamm hinunter, buntes Treiben
allerorten, fröhliche, erwartungsvolle Stimmung. Es tröpfelt mittlerweile
ein bisschen, aber das wird schon gleich aufhören. An der Yorck- und
Gneisenaustraße herrscht großer Andrang, eine wogende Menge säumt die
Bordkanten, Kinder sitzen auf Schultern oder stehen erhöht auf
Absperrungen, es wird geklatscht, gejauchzt und fotografiert.
Aus den geöffneten Fenstern lehnen sich Anwohner*innen hinaus und
winken. Vor den Spätis sind Caipirinha-Bars aufgebaut und in Plastikbechern
wird Aperol Spritz gemischt. Die ersten Gruppen kommen vorbei, auf Stelzen
und in bunten Kostümen wird ausgelassen gefeiert. Der Wagen der Ukraine ist
mit Sonnenblumen geschmückt, Rollschuhläufer*innen feiern queere
Vielfalt und die Clowns und Einradfahrer*innen streuen Konfetti.
Mittlerweile regnet es stärker und die ersten spannen Schirme auf, was in
der Enge des Zusammengedrängtseins nicht bei allen gut ankommt.
Mittlerweile wird zunehmend Erschöpfung spürbar und es scheint immer noch
voller zu werden. Der spontane Versuch digitaler Kommunikation scheitert.
Der nächste Sendemast ist überfordert, der Empfang schwächelt oder bricht
einfach ganz ab. Und mit der Lautstärke ist sowieso nichts zu verstehen.
Macht nichts, dann erst mal in die nächste Seitenstraße.
Am unteren Ende der Bergmannstraße sitzen nach dem Regen Familien bei
Limonade und Eis an kleinen Tischen, weiter vorne am Marheinkeplatz haben
die Stände vom sonntäglichen Flohmarkt noch geöffnet, und
Spaziergänger*innen schlendern entspannt an den Auslagen entlang.
Zwischen Markthalle und Mehringdamm nimmt die Dichte an
Karnevalsbesucher*innen dann erneut zu, die, jetzt durstig und
hungrig aus den Seitenstraßen kommend, auf Plätze warten.
Den Mehringdamm wieder hochspazierend kommen mir Frauen in Kostümen
entgegen, die offenbar schnell zu ihrem Auftritt müssen, aber die
U-Bahn-Stationen sind ja wegen Überfüllung gesperrt. Aus dem Gedränge
heraus klingt der Tag in der Abendsonne langsam aus. So ein entspannter
Pfingstsonntag, einfach schön.
21 May 2024
## AUTOREN
Maxi Broecking
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.