# taz.de -- das wird: „Ich habe mich für mich entschieden“ | |
> In „Der Große Reset“ erzählt Ika Sperling, wie Verschwörungsdenken eine | |
> Familie zerstört. Jetzt stellt sie den Comic in Hamburg vor | |
Interview Jan-Paul Koopmann | |
taz: Frau Sperling, kennt Ihr Vater Ihr Buch? | |
Ika Sperling: Das werde ich im Moment natürlich oft gefragt. Die Antwort | |
ist, dass mein Vater vergangenes Jahr gestorben ist, bevor ich ihm das Buch | |
zeigen konnte. Er wusste gar nicht, dass ich diesen Comic gemacht habe. | |
In „Der Große Reset“ beschreiben Sie, wie Sie Ihren Vater an | |
Verschwörungstheorien verlieren. Wissen Sie noch, wann das losging? | |
Es ist jetzt nicht so, dass ich als Kind am Küchentisch mit [1][„9/11 was | |
an Inside Job“] vollgetextet worden wäre. Ich glaube schon, dass er 2014 | |
sehr auf diese AfD-Erzählungen über die „Flüchtlingswelle“ und so weiter | |
reingefallen ist. Aber das Verschwörungsdenken ging erst mit Corona so | |
richtig los. | |
Wie autobiografisch ist die Geschichte? | |
Ich habe am Anfang ein Storyboard auf kleinen Post-it-Zettelchen gemacht | |
und alles genau so aufgeschrieben, wie es passiert ist. Ich hatte ungefähr | |
einen Monat gesammelt und dann festgestellt: Das ist super viel, so kriege | |
ich die Geschichte nicht erzählt. Deswegen ist die Handlung jetzt zum | |
Beispiel auf drei Tage begrenzt. Und die Figuren: Die Protagonistin heißt | |
wie ich und sieht aus wie ich, weil ich das so entscheiden konnte. Weil | |
meine Familie diese Möglichkeit aber nicht hatte, habe ich die Charaktere | |
verändert: ihr Aussehen, das Alter, die Namen … | |
Stehen deshalb nun auch Ihre eigenen Gefühle im Mittelpunkt? | |
Ich habe mich sehr früh gefragt: Will ich jetzt eine Geschichte über meinen | |
Vater erzählen oder will ich eine Geschichte über mich erzählen? Und ich | |
habe mich dann für mich entschieden. Die einzige Perspektive, auf die ich | |
mich verlassen kann, ist meine eigene. | |
Auch die Inhalte der Verschwörungstheorien reißen Sie nur an. | |
Mir war nie wichtig, um welche Verschwörungserzählungen genau es geht. Ich | |
will ihnen auch keinen Raum und keine Bühne geben. Am Anfang gab es noch | |
eine Szene, in der die Inhalte nacherzählt werden, aber ich habe sie | |
verworfen. Es ist ein Comic darüber, wie es ist, Angehörige an eine | |
Verschwörungsideologie zu verlieren – aber kein Buch über die | |
Verschwörungsideologien. Da gibt es andere Fachbücher und Ratgeber. | |
In einer sehr rührenden Szene werden Sie in immer kleineren Panels | |
zugetextet, um nach dem Umblättern plötzlich über eine ganze Doppelseite zu | |
brüllen, dass Sie das alles nicht mehr hören können. Scheitern von | |
Kommunikation – oder Befreiungsschlag? | |
Es hat jedenfalls sehr viel Spaß gemacht, diese Seite zu zeichnen, weil es | |
genau das war, was ich so oft gedacht habe. Weil jedes Gespräch mit meinem | |
Vater auf diese Dinge hinauslief und weil das so unvorstellbar viel Raum im | |
Alltag eingenommen hat. | |
Das Debüt hat den Hamburger Literaturpreis bekommen und ist für den | |
Max-und-Moritz-Preis nominiert. Macht Ihnen das Angst vor dem zweiten Buch? | |
Manchmal frage ich mich schon, ob ich jetzt in alle Ewigkeit „die mit dem | |
Verschwörungsbuch“ bleibe. Ich dachte mal, dass ich nach zwei Wochen Pause | |
direkt mit dem nächsten weitermache. Stattdessen bin ich seit Monaten damit | |
beschäftigt, „Der Große Reset“ nachzubereiten: Interviews geben, Lesungen | |
vorbereiten, organisatorische Dinge. | |
16 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
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