# taz.de -- „Ich wurde geräuschempfindlich, bekam Schlafstörungen“ | |
> Luca Resonnek*, Ärzt*in, kündigte nach einem Jahr Krankenhaus wegen | |
> Überarbeitung, pausierte im Anschluss anderthalb Jahre und ist aktuell in | |
> einer ambulanten Praxis beschäftigt | |
Nach meinem Studium fing ich im Krankenhaus in der Chirurgie an. Nach drei | |
Monaten war ich allein für Nachtdienste zuständig. Mein erster war | |
besonders hart: Ich bin nur gerannt, Flexülen legen, Wunden angucken, | |
Verbände wechseln, bei einer Notoperation assistieren, zwei Stationen und | |
die Wachstation im Blick behalten, runter in die Rettungsstelle. | |
Hingesetzt habe ich mich nach 16 Stunden das erste Mal, direkt vor der | |
Übergabe. | |
Am schlimmsten waren die 26-Stunden-Dienste von Samstag auf Sonntag. Mal | |
hat man geschlafen, mal nicht, meist zwei, drei Stunden. Offiziell heißt | |
das „Bereitschaftszeit“, denn 24 Stunden durcharbeiten ist nicht legal. Als | |
ich anregte, dass wir unsere tatsächliche Schlafzeit mal notieren, hieß es: | |
Auf keinen Fall! Dann bricht das ganze System zusammen. Aber wenn man so | |
lange auf den Beinen ist, schwindet irgendwann die Konzentration. Einmal | |
stand ich in der Rettungsstelle vor einer Frau, ihr Bauch war reflexhaft | |
angespannt, ein Alarmzeichen, es könnte ein Organ geplatzt sein. Ich | |
versuche also übermüdet zu verstehen: Wann fingen ihre Schmerzen genau an? | |
Die Patientin redet, aber ich bin nicht mehr aufnahmefähig. Was tun? | |
Irgendwie weitermachen, später heulen. | |
Zu Hause habe ich Entspannungsübungen und Schlafmittel ausprobiert. Ich | |
wurde geräuschempfindlich, bekam Schlafstörungen. Man muss viel emotional | |
verarbeiten, aber dafür ist keine Zeit. Ein Beispiel: Ich assistiere bei | |
einer Operation, wir haben die Hände im Bauch eines Mannes, um eine Blutung | |
zu stoppen. Irgendwann ist klar: Entweder er verblutet jetzt auf dem Tisch, | |
oder wir nähen dieses Blutgefäß zu und er wird vermutlich daran sterben. | |
Direkt danach musste ich in die Rettungsstelle und mich um einen kleinen | |
Riss am Po eines Patienten kümmern, es geht einfach weiter. Das muss man | |
erst mal hinkriegen! Es gibt keine Supervision, keine Nachbesprechungen. | |
Meine Kolleg*innen waren alle engagiert, gleichzeitig ist in diesem | |
System kaum Raum für Empathie, nicht für Patient*innen, nicht für uns. Nach | |
einem Jahr wusste ich: Ich kündige. Ich war ausgebrannt. Ich habe | |
anderthalb Jahre gebraucht, um zu entscheiden, ob ich es noch mal ärztlich | |
versuchen will. | |
*Name geändert | |
Protokoll: Jasmin Kalarickal | |
27 Apr 2024 | |
## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |