# taz.de -- berliner szenen: Ein Schlüssel-Moment | |
Sonntagmorgen: Der Schlüssel steckt von innen. Wir haben weder Handy noch | |
Geld, aber Albträume vom Schlüsseldienst: Beim letzten Mal fummelte der Typ | |
sechzig Sekunden am Schloss rum, um uns zu beweisen, dass er die 150 Euro | |
auch verdiente, versperrte dann die Sicht und öffnete die Tür binnen zwei | |
Sekunden. | |
Wir fragen also den Nachbarn: „Meine Tochter kann das.“ „Habt ihr’ne | |
Colaflasche?“, fragt sie uns. „Nein?! Okay. Dann komme ich in fünf Minuten. | |
Muss kurz was basteln.“ Gebastelt wird ein Plastikstreifen: „Immer | |
schneiden, wo das Etikett klebt: Da ist es schon richtig gebogen.“ | |
Marcella, die Tochter, ist eine Wuchtbrumme: Sogar die „4-Blocks“-Imitate | |
der Siedlung haben vor ihr und ihren Zwillingstöchtern Angst. Fachfrauisch | |
löst sie das Tür-Gummi und schiebt den Plastikstreifen zwischen Tür und | |
Rahmen, doch der Schnapper gibt nicht nach. Marcella gibt nicht auf und | |
drückt ihren massigen Körper gegen die Tür. Mein Freund fühlt sich | |
verpflichtet, ihr zu helfen: „Du drückst“, sagt Marcella, „Und ich | |
schiebe.“ Wieder und wieder versuchen sie es, mal mit Plastikstreifen, mal | |
mit Spachtel, doch die Tür bleibt zu: Fast bin ich ein wenig stolz darauf, | |
wie zäh sie uns verteidigt. Marcella seufzt: „Früher, mit dem alten Perso, | |
ging das so gut!“ | |
Nach einer halben Stunde Drücken und Ruckeln springt die Tür auf: | |
„Marcella!“, rufe ich: „Wow!“ Dabei habe ich leise frierend und hungrig | |
schon nicht mehr daran geglaubt. Wir überschütten unsere Heldin mit | |
Komplimenten, die sie bescheiden abwehrt: „Mein Papa hat auch geholfen.“ | |
Dabei stand der, wie ich, bloß hilflos daneben – mit schlauen Ratschlägen, | |
versteht sich. Wieder drinnen, backen wir für Marcella Lasagne und | |
schließen, nun, da wir in die Geheimnisse des Türenknackens eingeweiht | |
sind, immer sorgfältig ab. | |
Marielle Kreienborg | |
7 May 2024 | |
## AUTOREN | |
Marielle Kreienborg | |
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