# taz.de -- das wird: Raus aus dem Hamsterrad | |
> Aus Überlastung: Der Kunstverein Langenhagen schafft sich ab – aber dann | |
> auch wieder nicht | |
Bild: Programmatische Anhäufung: improvisierte Rauminstallation aus Vereins-Ma… | |
Von Bettina Maria Brosowsky | |
Was mache ich eigentlich hier? Als individuelle Sinnkrise mag solch | |
Zweifeln mitunter anregend sein, wenn jemand aber dergestalt eine | |
Institution in Frage stellt, kann es fundamental werden. Sebastian Stein, | |
zwischen Juni 2021 und Ende 2022 alleine Leiter des Kunstvereins | |
Langenhagen, seit 2023 gemeinsam mit Birte Heier, hatte bereits seinen | |
Dienstantritt mit der grundsätzlichen Absicht verbunden, zu klären, was | |
eine Kunstinstitution in der krisenhaften Gegenwart am Anfang des 21. | |
Jahrhunderts sein könnte – noch oder überhaupt? | |
Nun macht er Ernst. Unter dem Motto „Kunstverein Langenhagen abschaffen!!“ | |
wird bis zum 12. Mai der normalerweise erwartete Betrieb eingestellt. Also: | |
Telefon und Email werden auf Auto-Reply gestellt sein; das, was man an | |
künstlerischer Leitung, Kuratieren oder auch Mitglieder- und | |
Besucher:innen-Service von Stein, Heier und ihren freiberuflichen | |
Helfer:innen verlangt: Wird es nicht geben. Täglich zwischen 11 und 16 | |
Uhr sind aber die Räumlichkeiten des Kunstvereins besetzt, und das Team | |
kündigt an, es werde schauen, „was wir tun werden, wenn wir nicht mehr das | |
tun, was wir normalerweise tun würden“. Besucher:innen sind herzlich | |
willkommen, um gemeinsam zu sehen und zu diskutieren, wohin das führt, sagt | |
Stein. „Vielleicht sind wir danach wer anderes, auch in unserer | |
institutionellen Praxis.“ | |
## Ausgelaugt vom Betrieb | |
Klar, der Kunstbetrieb, besonders wenn in solch prekären Systemen | |
organisiert, wie das in kleinen Kunstvereinen unvermeidlich ist, laugt alle | |
aus. Stein spricht von verinnerlichten Arbeits-, Produktions- und | |
Innovationszwängen, davon ständig alles, „was wir machen, anschauen, lesen, | |
irgendwie aufschnappen, wofür wir uns interessieren, unsere Freund:innen- | |
und Bekanntschaften zu verwerten und in Projekte oder Texte oder andere | |
Produkte umzuwandeln“. Wie also herauskommen aus diesem Hamsterrad? | |
Zumindest einmal demonstrativ die Reißleine zu ziehen, scheint da | |
naheliegend und wichtig. | |
Aber natürlich wird nicht einfach die Arbeit verweigert, so viel Ethos ist | |
verinnerlicht. Die Aktion ist Teil des aktuellen Kunstvereinsprogramms „Wie | |
bloß diese Welt verlassen?“, dessen Aktivitäten zu Ausstiegs- oder | |
Verweigerungsstrategien konzentrieren sich in einer improvisierten | |
Rauminstallation aus Altmaterial. Integriert sind auch künstlerische | |
Beiträge, etwa ein „Dinge-Altar“ mit Lotpendel und Kerzenlicht. Jakob | |
Jakobsen hat seinen Abschiedsbrief zum Ausstieg aus dem professionellen | |
Künstlerdasein beigesteuert, Documenta-15-Teilnehmerin Marwa Arsanios ein | |
Video über selbstermächtigte Landnahme im nördlichen Libanon. Im Zentrum | |
aber steht die „Abschaffen-Streik-Archiv-Altar-Bar“: ein Treffpunkt zu | |
Gesprächen, Lesungen, Unerwartetem, nie die große Weltlage aus dem Blick | |
verlierend. | |
Und natürlich soll es weitergehen: Geplant ist eine Sommerakademie zur | |
Frage der Abgrenzung von Diskurs und Wissen; das traditionelle | |
Sommerferienprogramm für Kinder im Garten des Kunstvereins; mobile Angebote | |
per Anhänger an verschiedenen Orten in Langenhagen. Aber vielleicht wird | |
doch so manches anders. | |
30 Apr 2024 | |
## AUTOREN | |
Bettina Maria Brosowsky | |
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