# taz.de -- ortsgespräch: In Berlin werden zwei Mädchen-Treffs geschlossen, w… | |
Dass der Nahostkonflikt die Gemüter erhitzt, lässt sich derzeit an allen | |
Ecken und Enden beobachten. In Berlin scheint so mancher Hitzkopf über | |
seine Erregung jedoch zu vergessen, dass wir in einem Rechtsstaat leben: So | |
wurden im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zwei Mädchentreffs geschlossen, | |
weil deren Leiterinnen sich propalästinensisch positionieren. Dass dies | |
keineswegs verboten ist, scheint dem zuständigen CDU-Bezirksstadtrat dabei | |
egal zu sein. | |
In dem Kündigungsschreiben an den Verein Frieda, der die beiden Mädchen- | |
und Frauentreffs „Phantalisa“ und „Alia“ betreibt, heißt es: Die Ziele… | |
Kinder- und Jugendarbeit – wie Demokratiebildung – seien mit dem Verein | |
nicht mehr möglich. Zur Begründung wird auf einen Focus-Artikel verwiesen, | |
wo die beiden Geschäftsführerinnen des Vereins und die Leiterin von | |
Phantalisa bei einer Mahnwache für Palästina zu sehen seien. Außerdem soll | |
eine der Geschäftsführerinnen auf ihrem privaten Instagram-Account | |
„antisemitische und antizionistische Aussagen gegenüber Israel“ geäußert | |
haben und als Rednerin beim Palästina-Kongress aufgeführt worden sein. | |
Bloß: Die Teilnahme am Palästina-Kongress war nicht verboten. Ebenso wenig | |
die Mahnwache. Und ob die Äußerungen der Geschäftsführerin auf Instagram | |
strafbar waren oder nicht, das zu überprüfen ist Aufgabe der | |
Staatsanwaltschaft – und nicht eines Bezirksstadtrats. Wenn sie strafbar | |
waren, kann und sollte sie ihrer Position enthoben werden. Deshalb zwei | |
Jugendeinrichtungen zu schließen und die Mädchen dafür zu bestrafen, ist | |
völlig unverhältnismäßig. | |
Es ist nicht das erste Mal, dass im vermeintlich so weltoffenen Berlin mit | |
fragwürdigen Mitteln gegen propalästinensische Aktivist*innen | |
vorgegangen wird. Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober | |
arbeitet die regierende CDU mit eifriger Unterstützung ihres Juniorpartners | |
SPD daran, den Rechtsstaat auszuhöhlen und ihnen unliebsame Meinungen mit | |
allen Mitteln zu unterdrücken. | |
Erst entzieht der CDU-Kultursenator einem migrantischen Kulturzentrum die | |
Förderung, weil in ihm umstrittene, aber keineswegs verbotene | |
propalästinensische Gruppen aktiv sind. Dann erlässt die | |
CDU-Bildungssenatorin ein Kufiya-Verbot an Schulen und schafft damit ein | |
Klima der Angst. | |
Den erwähnten Palästina-Kongress findet der Regierende CDU-Bürgermeister | |
„unerträglich“, woraufhin die Veranstaltung kurz nach Beginn mit | |
fadenscheinigen Argumenten verboten wird. Die Teilnehmer*innen eines | |
propalästinensischen Camps vor dem Bundestag werden seit Tagen von der | |
Polizei schikaniert. Und nun beendet ein CDU-Stadtrat die Verträge mit zwei | |
Mädchenzentren, weil Mitarbeiter*innen privat für Palästina | |
demonstriert und privat vielleicht strafrechtlich Relevantes in diesem | |
Zusammenhang gepostet haben sollen. | |
Ein solches Vorgehen gegen politische Aktivist*innen, die sich im | |
juristischen Sinne nichts zuschulden haben kommen lassen, ist eines | |
Rechtsstaates unwürdig. Der besitzt nämlich ausreichend Instrumente, um | |
gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen vorzugehen. Dafür braucht er nicht | |
selbst auf verfassungswidrige Mittel zurückzugreifen. Und ohne rechtliche | |
Grundlage die Meinungsfreiheit zu beschneiden, ist verfassungswidrig. | |
Ganz gleich, wie „unerträglich“ man so manche Meinung in der aufgeheizten | |
Nahost-Debatte auch findet – solange sie nicht strafbar ist, muss man sie | |
ertragen. Auch und vor allem das ist Demokratie. Und der Diskurs darüber | |
sollte nicht beschnitten, sondern vielmehr gefördert werden, will man die | |
Spaltung der Gesellschaft nicht noch vorantreiben. Marie Frank | |
27 Apr 2024 | |
## AUTOREN | |
Marie Frank | |
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