# taz.de -- Die Schönheit lieben | |
> Am Freitagabend konnte man im Ausland in Prenzlauer Berg sehr | |
> eindringliche Musikerinnen erleben: Teresa Riemann verband in ihrem | |
> Drumprojekt Poesie mit Experimental und Free Jazz, Koschka performte | |
> melancholisch dunkle Moll-Piano-Balladen | |
Von Jens Uthoff | |
Teresa Riemann sitzt auf ihrem Schlagzeug-Hocker, angestrahlt durch einen | |
hellen Leuchter, sie wirbelt mit den Drumsticks herum, schüttelt den Kopf | |
hin und her, ihr Schatten hinter ihr an der Wand tut es ihr gleich. Zwei | |
Standmikrofone sind um sie herum aufgebaut, in ein drittes singt sie. Ihre | |
Stimme klingt mal etwas verhuscht, dann wieder klar, laut und dringlich. | |
Derweil hämmert sie auf die Standtom des Schlagzeugs, bearbeitet das | |
Ride-Becken, tupft und trommelt auf der Snare, immer im Wechsel. | |
Riemann eröffnet diesen Konzertabend am Freitag [1][im Ausland], in dessen | |
weiterem Verlauf die Sängerin und Komponistin Koschka ihr selbst betiteltes | |
Debütalbum vorstellen soll. Erst einmal aber bestaunt man gebannt den | |
Auftritt Riemanns. Riemann, Jahrgang 1988, stammt aus der Nähe von München, | |
lebt seit 2012 in Berlin, hat auch noch ein Piano-Soloprojekt und spielt in | |
zwei weiteren Bands (Inutile Témoin, Naked in the Zoo). In dem Drumprojekt | |
verbindet sie deutsche, englische und französische Poesie mit Experimental | |
und Free Jazz. Mit all dem ist sie – auch wenn sie international viel | |
unterwegs ist – noch immer viel zu unbekannt. | |
Vertrackte, gebrochene, zerhackte Drumbeats sind in ihrem gut halbstündigen | |
Set zu hören, man erlebt Teresa Riemann als sehr präsente Bühnenpersona: | |
Einmal unterbricht sie einen Song aufgrund von Problemen mit dem Monitor. | |
Als diese dann gelöst sind, setzt sie ihr Set unmittelbar mit einem | |
wuchtigen, freejazzigen Schlagzeugsolo fort, als sei nichts gewesen. Auch | |
auf Tonträger funktioniert das sehr gut, Ende vergangenen Jahres hat sie | |
das Album „Caracoler dans les abattoirs“ veröffentlicht, wie sie darauf | |
etwa im Track „Von der Angst, Zeit zu verlieren“ Lyrik mit nervös-fiebrigen | |
Drumsounds verbindet, ist einigermaßen einzigartig. Auf die Frage, aus | |
welchen musikalischen Kontexten sie komme, antwortet sie nach dem Konzert: | |
„D. I. Y., Noise, Experimental. Hauptsache erst mal machen“. | |
Der Auftritt von Koschka ist vom Sound her völlig anders. Koschka, | |
bürgerlich Edita Karkoschka, hat bis 2019 in der Indie-Pop-Band Nausica | |
gesungen, als Solokünstlerin komponiert und interpretiert sie nun | |
überwiegend dunkle Moll-Piano-Balladen. Einige Neuinterpretationen | |
berühmter Komponist:innen der Romantik – Robert und Clara Schumann, | |
Franz Schubert – sind dabei. In den dicht gedrängten Besucherreihen ist es | |
mucksmäuschenstill, wenn Koschka mit leisen Klaviertönen zu neuen Songs | |
ansetzt oder mit getragener Stimme intoniert. Sie spielt einige Stücke am | |
Keyboard, einige am Flügel, sie trägt ein eigens angefertigtes rot-weißes | |
Kostüm, das gut zu ihrem großen Thema passt: der Liebe. | |
Sie spielt „Liebst du um Liebe“, das Auftaktstück ihres Albums, es ist eine | |
Adaption von „Liebst du um Schönheit“ (Friedrich Rückert/Clara Schumann), | |
Karkoschkas Stimme steht dabei ganz im Vordergrund, sie setzt sehr leise | |
Pianotöne dazu ein. Auch „Seit ich ihn gesehen“ von Robert Schumann spielt | |
Koschka minimalistisch, bedächtig, reduziert – und, ja, durchaus | |
ergreifend. Oft experimentiert sie mit den Stimmeffekten, lässt etwa zwei | |
Stimmspuren übereinander laufen, bei denen der Gesang live verfremdet und | |
verzerrt wird. Es ist die geballte Portion Melancholie, die Koschka hier | |
auf die Bühne bringt, zwischendurch hätte man sich vielleicht auch mal ein | |
anderes Tempo, eine andere Stimmung, eine andere Farbe gewünscht. Kalt | |
lassen dürften diese Songs aber niemanden, dazu sind sie viel zu tief und | |
zu dringlich – in manchen Momenten mögen sie für den einen oder die andere | |
aber auch zu rührselig sein. Doch unterschiedliche Assoziationen zur Musik | |
von [2][Anohni], Element of Crime oder Sophie Hunger ploppen auf, das ist | |
dann wohl doch eher ein gutes Zeichen. So wird Koschka nach dem etwa | |
einstündigen Auftritt auch gebührlich gefeiert – und sagt am Ende noch | |
lange „Danke“ an alle, die an ihrem Debütalbum beteiligt waren. | |
22 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
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