# taz.de -- orte des wissens: Spukhafte Fernwirkung | |
> Am Hannoverschen Leibniz-Institut für Quantenoptik gibt es – abgesehen | |
> von Wechselbeziehungen auch disparater Teilchen – wenig Neues zu | |
> ergründen. Dafür verbessern sich stetig die Messmethoden | |
Quantenforschung. Wer diesen Begriff hört, denkt unwillkürlich: | |
kompliziert. Kaum ein Gebiet der Physik, das die Imaginationsfähigkeit so | |
stark auf die Probe stellt wie dieses. Die synchrone Wechselbeziehung von | |
Teilchen zum Beispiel, die sich an verschiedenen Orten befinden, auch weit | |
voneinander entfernt. Albert Einstein sprach seinerzeit von „spukhafter | |
Fernwirkung“; die Sci-Fi-Serie Star Trek hat sie später zur Teleportation | |
von Mensch und Equipment ausgebaut. | |
Aber auch das reale Leben ist wegweisend. Zum Beispiel am Institut für | |
Quantenoptik der Fakultät für Mathematik und Physik der Leibniz Universität | |
Hannover (LUH). Rund 200 WissenschaftlerInnen arbeiten hier, und was sie | |
erforschen, hat Weltrang. | |
Star Trek? Uwe Morgner, LUH-Professor für Experimentalphysik und Direktor | |
der dortigen Leibniz School of Optics & Photonics, an der sich Physik, | |
Maschinenbau, Elektrotechnik, Mathematik und Chemie bündeln, gibt zu, dass | |
er manchmal schmunzeln muss, wenn er Gene Roddenberrys extraterrestrische | |
Abenteuer sieht: „Das ist ja oft weit jenseits der physikalischen | |
Realität“, sagt er der taz. Aber er hat etwas für sie übrig. „Als | |
Inspiration für SchülerInnen oder junge WissenschaftlerInnen ist das | |
absolut genial.“ | |
Im Institut, finanziert durch Land, Bund und EU, geht es um | |
Grundlagenforschung, aber auch um Anwendungsaspekte. „In der Physik stehen | |
wir ja oft vor sehr fundamentalen Fragen“, sagt Morgner. „Zeit, Weltall, | |
Raum: Das führt auch zu sehr philosophischen Fragen.“ | |
Und dann fächert Morgner das Praktische auf, mit dem sich das Institut | |
beschäftigt: Mit der lasererzeugten Röntgenstrahlung zum Beispiel, nicht | |
zuletzt auch für die medizinische Diagnostik: „Das ist wesentlich | |
hochwertigere Strahlung als bisher: schneller, schärfer, strahlungsärmer | |
für die Beteiligten“, sagt er. Oder mit per Laser gedrucktem Zellgewebe: | |
„Langfristiges Ziel ist es, ganze Organe zu erstellen.“ Oder mit | |
Quantencomputern. Oder mit Atomuhren und Atominterferometern, mit deren | |
Hilfe sich lokale Gravitationsfelder hochpräzise messen lassen – | |
Gesteinsformationen, Wasservorkommen, Bodenschätze. | |
Der Satz, es sei „hart, dem Herrgott in die Karten zu gucken“, wird | |
Einstein zugeschrieben. „Es würde zu ihm passen, das so gesagt zu haben“, | |
räumt Morgner ein. Aber der Blick in die Karten gelingt mittlerweile | |
ziemlich gut. „Die Quantenoptik hat viel erreicht“, sagt Morgner. „Unsere | |
Erkenntnisse sind sehr robust.“ Grundsätzlich Neues in der Quantenphysik | |
ist allerdings schwer zu finden. Daher werden am Institut immer genauere | |
Messmethoden erforscht. | |
Schnell fündig werden Morgners StudienabsolventInnen dagegen beim | |
Berufseinstieg. „Die Optik- und Laserindustrie ist in Deutschland stark“, | |
sagt der Hochschullehrer. „Und sie hat einen großen Personalbedarf. Das | |
sind sehr gute Voraussetzungen für Studierende der Physik und der Optik.“ | |
Dasselbe gilt für die nichtakademische Berufsausbildung am Institut, durch | |
die Feinwerkmechanik-Werkstatt. „Die Plätze sind sehr begehrt“, sagt | |
Morgner. Demnächst steht hier allerdings ein Wandel an. Die Werkstatt | |
erweitert sich, auch in Richtung Optik, Elektronik. | |
Im Wandel befindet sich auch die Ausrichtung des Akademischen am Institut. | |
Denn was hier erforscht und entwickelt wird, weckt Begehrlichkeiten beim | |
Militär. „Bisher war Dual Use für uns kein Thema“, sagt Morgner. „Wir | |
hatten mit Rüstungstechnik nichts zu tun, und das war eine | |
Grundsatzentscheidung. Aber der derzeitige Systemwandel stellt uns vor neue | |
Fragen: Was ist für uns ethisch vertretbar? Wollen wir uns an der | |
Sicherheitsforschung beteiligen?“ Die Diskussion läuft. Ihr Ausgang ist | |
offen. Harff-Peter Schönherr | |
22 Apr 2024 | |
## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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