# taz.de -- Tagesmütter sollen Lücken schließen | |
> Bremen setzt gegen die Betreuungsnot auf Einrichtungen, die ohne | |
> Fachkräfte auskommen | |
Von Lotta Drügemöller | |
Der rot-rot-grüne Bremer Senat will das Problem der fehlenden Krippenplätze | |
für kleine Kinder mit einem einfachen Trick lösen: Er setzt weniger auf | |
Fachkräfte. Freie Träger sollen demnächst Einrichtungen eröffnen, in denen | |
nicht Erzieher*innen und Sozialpädagog*innen, sondern ausschließlich | |
Tagesmütter und -väter beschäftigt werden. | |
Der Bedarf an Krippenplätzen ist in Bremen besonders hoch: 51 Prozent der | |
Eltern wollten 2023 einen Betreuungsplatz für ihr Kind unter drei Jahren, | |
ergab eine Studie des Deutschen Jugendinstituts – nur 32 Prozent bekamen | |
einen, eine Lücke von 19 Prozentpunkten. Zum Vergleich: In Hamburg beträgt | |
die Lücke nur acht Prozentpunkte, in Niedersachsen 13. Es fehlt vor allem | |
an Fachkräften. 39 Gruppen in neuen Kitas konnten 2023 deshalb nicht an den | |
Start gehen. | |
Sogenannte Tagespflegepersonen sind seit Jahrzehnten Bestandteil der | |
frühkindlichen Betreuung. Mit wenigen formalen Voraussetzungen | |
(Volljährigkeit, soziale Kompetenzen) können Interessierte sich in etwa 300 | |
Unterrichtsstunden qualifizieren. Das entspricht etwa acht Wochen | |
Vollzeit-Unterricht. Die klassische Erzieherausbildung dauert dagegen vier | |
Jahre. | |
Als „familiennahe Betreuung von maximal 5 Kindern im Alter zwischen 0 und 3 | |
Jahren“ wird die Betreuungsform auf einem [1][Flyer der Bildungsbehörde] | |
noch immer angepriesen. „Familiennah“ ist dabei gar nicht mehr | |
Voraussetzung: Seit 2012 können sich zwei Tagespflegepersonen selbstständig | |
zusammenschließen und Betreuung außerhalb ihres Hauses anbieten. „Die | |
Zusammenarbeit gestaltet sich ähnlich einer Kita“, schreibt die Behörde | |
dazu. | |
Für die Tagespfleger*innen kann es eine Erleichterung bedeuten, dass | |
sie jetzt angestellt werden können: Sie müssen sich nicht mehr | |
selbstständig machen, sondern kommen in den Genuss arbeitsrechtlicher | |
Schutzmechanismen – geregelter Pausenzeiten etwa. | |
Wie aber steht die Großtagespflege im Vergleich zu regulären Kitas und | |
Elternvereinen da? Letztere müssen die Fachkräftequote erfüllen und bei | |
zehn Kindern unter drei mindestens ein*e Erzieher*in oder | |
Sozialpädagog*in, sowie eine Zweitkraft einstellen – die neuen | |
Einrichtungen müssen das nicht. Um das Grundkonzept von Tagespflege | |
aufrecht zu erhalten, ist den Kindern in der Großtagespflege zwar jeweils | |
eine Bezugsperson fest zugeordnet; da es Vertretungsregeln gibt, sind aber | |
faktisch auch andere Betreuer*innen zuständig. | |
Kritik à la „Kita light“ wird trotzdem nicht laut. Der Personalrat Kita | |
Bremen und der Kita-Fachkräfteverband Niedersachsen-Bremen bestätigen, man | |
könne gut mit dem Angebot leben – so lange es sich von einer Kita | |
unterscheide. Was das heißt, bleibt auch auf Nachfrage etwas undefiniert. | |
Der gemeinsame Nenner: Es darf nicht Kita draufstehen. | |
Auch wenn Bremen sich mit dem Modell als Vorreiter feiert – neu ist wenig | |
daran. In Niedersachsen gibt es Großtagespflege schon länger. Die | |
Eltern-Zufriedenheit damit ist übrigens überdurchschnittlich groß, zeigen | |
Studien. Seine Versorgungslücke könnte Bremen mit der Strategie rein | |
rechnerisch lösen: 2023 haben 632 Kinder unter drei trotz Anmeldung keinen | |
Betreuungsplatz bekommen. Ihre Ausbildung zur Tagesmutter haben im | |
vergangenen Jahr 130 Frauen begonnen – eine Vervierfachung gegenüber 2022. | |
Betreuen könnten sie, siehe da, bis zu 650 Kleinkinder. | |
15 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bildung.bremen.de/werden-sie-kindertagespflegeperson-376682 | |
## AUTOREN | |
Lotta Drügemöller | |
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