| # taz.de -- Hannoversche Eishockey-Rivalität: Zoff auf Kufen | |
| > In der Region Hannover gibt es zwei ambitionierte Eishockey-Clubs. | |
| > „Indians“ und „Scorpions“ und ihre Fans hassen einander mit großer | |
| > Begeisterung. | |
| Bild: Rustikale Heimstätte: Im Indians-Eisstadion am Pferdeturm werden Scorpio… | |
| Hannover taz | Ein Transparent garniert den Moment des Triumphs: Als der | |
| 5:1-Erfolg der [1][Hannover Scorpions] besiegelt ist, halten deren | |
| mitgereiste Fans ein Transparent hoch: „Die blaurotweißen Versager werden | |
| niemals Derbysieger.“ Gemeint sind mit dem Stück Stoff, das später | |
| demonstrativ zerrissen wird, die heimischen Hannover Indians. Willkommen | |
| mitten in einer Geschichte, die von ganz viel Leidenschaft lebt – und | |
| ebenso viel Vereinsmeierei. Dass es in der Region Hannover zwei sehr | |
| ambitionierte [2][Eishockeyvereine] gibt, die sich nicht mögen, hat | |
| Tradition. Die Kräfte zu bündeln und gemeinsam stark zu sein, kommt für | |
| beide Seiten nicht infrage. Die Rivalität ist größer als die Vernunft. | |
| Es ist ein verregneter und kühler Freitagabend. Trotzdem ist das | |
| [3][Eisstadion am Pferdeturm] bei diesem Derby ausverkauft. Allen 4.608 | |
| Zuschauern ist klar, dass die deutlich stärkeren Scorpions auch das vierte | |
| Play-off-Viertelfinalspiel gegen die Indians gewinnen. Trotzdem lebt ein | |
| solcher Abend von seiner Brisanz. | |
| „Hier zu gewinnen, ist ein spezielles Gefühl“, erzählt Andy Reiss. Kaum | |
| jemand kennt Hannovers Eishockey besser als er: Der routinierte Verteidiger | |
| bestreitet an diesem Abend sein 1.000. Spiel als Profi – die Mehrheit davon | |
| für die Scorpions, aber einige auch für die Indians, seinen eigentlichen | |
| Heimatverein. Vor so einem Spieler könnten die Fans auf beiden Seiten einen | |
| tiefen Knicks machen. Aber Reiss, wie jeder Scorpions-Akteur, wird vom | |
| Indians-Publikum nicht mit dem normalen Nachnamen im Stadion begrüßt, | |
| sondern mit: „Arschloch“. | |
| ## Schubsen nicht nur auf dem Eis | |
| Die Sportart Eishockey, bei der auf dem Spielfeld beherzt geschubst, | |
| gerauft und auch gedrängelt wird, sorgt abseits der Eisfläche meistens für | |
| ein friedliches Miteinander. Aber der Zwist zwischen Indians und Scorpions | |
| wird durchaus auch mit herben Worten und groben Taten gelebt: Ende | |
| vergangenen Jahres etwa lieferten sich Fans der Klubs eine derbe | |
| Schlägerei. Sich nicht zu mögen und das laut zu sagen, auch davon lebt | |
| Hannovers Eishockeyszene. | |
| Beide Vereine waren schon erstklassig und haben großen Zeiten erlebt. Die | |
| Hannover Indians sind die Fortsetzung des einst sehr erfolgreichen EC | |
| Hannover und haben ihre Heimat im Stadtgebiet. Die Hannover Scorpions sind, | |
| obschon Emporkömmling vom Land, 2010 [4][Deutscher Meister] geworden. Sie | |
| haben ihren Ursprung als Wedemark Scorpions im Umland, ihre Heimspiele | |
| tragen sie im beschaulichen Mellendorf aus. Ein Dorfklub ist erfolgreicher | |
| als der Rivale aus der großen Stadt? Von solchen Zutaten lebt der Zoff auf | |
| Kufen bestens. | |
| Wer die Indians mag, pocht auf deren Tradition mitten in Hannover: Sie | |
| müssten als Stadtverein finanziell deutlich besser aufgestellt sein als die | |
| Scorpions. „Aber bei uns gibt es nicht den einen Mäzen. Wir geben das Geld | |
| aus, das wir verdienen“, erzählt Jan Roterberg vom Management der Indians. | |
| Nach seinen Berechnungen fehlen dem Verein rund 300.000 Euro, um den | |
| Aufstieg in die zweithöchste Liga in Angriff nehmen zu können. „Das ist | |
| unser Ziel, sobald es solide durchfinanziert ist.“ | |
| Solide durchfinanziert war nun gerade nicht alles in der Indians-Historie, | |
| Insolvenzen haben den Verein immer wieder zurückgeworfen. Trotzdem ist bei | |
| jedem Heimspiel am Pferdeturm ungebrochener Stolz auf den „Eeeeeee! | |
| Ceeeeee! Haaaaaa!“ zu spüren. „Die Stimmung hier ist unglaublich“, sagt | |
| Scorpions-Trainer Kevin Gaudet voller Respekt. | |
| ## „Kühe, Schweine, Wedemark!“ | |
| Der Erfolg der Scorpions ist eng mit Gaudet verbunden: Der Kanadier hatte | |
| sich Anfang der 90er-Jahre als Spielertrainer mitten in Niedersachsens | |
| Provinz dem in Mellendorf spielenden ESC Wedemark angeschlossen. Unter | |
| seiner Obhut gelangen drei Aufstiege bis in die Deutsche Eishockey-Liga | |
| (DEL). „Kühe, Schweine, Wedemark!“ – dieser Schlachtruf hat sich bundesw… | |
| etabliert, wo immer die Scorpions auftreten. | |
| Maßgeblichen Anteil am Höhenflug der Scorpions hat auch Jochen Haselbacher, | |
| Unternehmer und früher CDU-Landesabgeordneter. Ihm und seiner Familie | |
| gelingt es bis heute, gute Spieler und zahlungskräftige Sponsoren so | |
| gezielt zusammenzubringen, dass im kleinen Mellendorf Größeres möglich ist | |
| als im benachbarten Hannover. | |
| Auf den ersehnten Sprung in die [5][2. Liga] sind die Scorpions finanziell | |
| offenbar gut vorbereitet. Aber ihnen stehen ab dem Play-off-Halbfinale | |
| schwere Duelle bevor: mit den besten Teams aus der Oberliga Süd. „Es ist | |
| unser Traum, noch einmal aufzusteigen – mit dieser Mannschaft und mit | |
| dieser Familie“, sagt der 2022 zurückgekehrte Erfolgstrainer Gaudet. | |
| Als er am Freitagabend die Umkleidekabine am Pferdeturm verlässt, sind dort | |
| laute Musik, das Geklimper von Bierflaschen und freudiger Jubel zu hören. | |
| Die mit Profis gespickte Scorpions-Mannschaft war wieder einmal zu stark | |
| für die Indians. Die vermeintlichen Landeier haben das 22. Derby in Folge | |
| gegen die aus der Stadt gewonnen. Na, und? An der Rivalität wird ein derart | |
| starkes sportliches Gefälle ja gerade nichts ändern. „Die Scorpions“, ruft | |
| der harte Kern aus der Indians-Fankurve, „sind die Scheiße der Nation!„Nach | |
| vier verlorenen Play-off-Partien ausgerechnet gegen den Erzrivalen ist die | |
| Saison für die Hannover Indians beendet. | |
| Trotz mancher Frotzelei und Anfeindung gelingt auf den Zuschauertribünen | |
| ein mehrheitlich respektvolles Miteinander. Am Freitagabend muss während | |
| des 1. Drittels ein Notarzt gerufen werden, weil ein junger Fan | |
| gesundheitliche Probleme hat. Auf Seiten der Indians- und Scorpions-Fans | |
| dominiert in der Folge eine rücksichtsvolle Ruhe. | |
| Erst in der Schlussphase der Partie werden wieder Mittelfinger gereckt, | |
| Bierbecher geworfen und Schmähgesänge angestimmt. „Wer nicht hüpft, der ist | |
| ein Bauer“ singen die Indians-Anhänger. Auf der Gegenseite des Stadions | |
| schirmen Polizisten jene Tribüne ab, auf der die Fans der Scorpions ein Tor | |
| nach dem anderen ihres Teams bejubeln können. | |
| 25 Mar 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Otto | |
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