# taz.de -- Politik befragen | |
> Milo Rau plant bei den Wiener Festwochen Volksprozesse | |
Von Sophia Zessnik | |
Was hat die Politik während der Pandemie versäumt? Welche Stimmen wurden | |
von staatlichen Medien nicht gehört? Bewegen sich rechtspopulistische | |
Parteien außerhalb des Verfassungsbogens und wie verfassungstreu handeln | |
die anderen Parteien? Heucheln die es vermeintlich Gutmachenden nur? Wie | |
tief geht linker Antisemitismus? Und wie wird die antikoloniale Bewegung | |
von rechts torpediert? | |
All das sind Fragen, die man sich so gerade in vielen Ländern stellen | |
könnte, vermutlich müsste. Verhandelt werden sollen sie am Beispiel | |
Österreichs, auf den diesjährigen Wiener Festwochen (12. Mai bis 21. Juni). | |
Verhandelt im wahrsten Sinne, denn nicht nur soll für die Dauer der | |
Festwochen die „Wiener Republik“ ausgerufen werden (am 17. Mai), auch soll | |
es zu sogenannten Volksprozessen kommen. Mit echten | |
Rechtsvertreter:innen sowie einem Rat der Republik. Bestehend aus 31 | |
internationalen wie lokalen Kulturschaffenden und Aktivist:innen sowie | |
aus 69 Bürger:innen, die von Vertreter:innen der 23 Wiener Bezirke | |
ausgewählt werden, sollen sie über Recht und Unrecht verhandeln. | |
Angeklagt wird auch der Festivalleiter Milo Rau selbst sein, wie er bei der | |
Pressekonferenz am 1. März verrät. Mit den „Wiener Prozessen“ bringt Rau | |
sein Konzept der inszenierten Schauprozesse in „die Hauptstadt der | |
Moderne“, wie er Wien nennt. Bereits in seinen Projekten „Zürcher | |
Prozesse“, „Moskauer Prozesse“ und „Kongo Tribunal“ versuchte der Sch… | |
Theatermacher durch symbolisch-fiktive Gerichtsverhandlungen einen | |
(künstlichen) Raum zu erschaffen, in dem „sich das Reale entfalten kann“, | |
[1][wie er es in einem taz-Interview formulierte]. | |
All das klingt von außen erst einmal aufgeladen, ein Eindruck, den | |
Intendant Rau und sein Team (bestehend aus Geschäftsführerin Artemis | |
Vakianis, Veronica Kaup-Hasler, Wiener Stadträtin für Kultur und | |
Wissenschaft, Komponistin Bushra El-Turk, Choreografin Florentina | |
Holzinger, Regisseurin Caroline Guiela Nguyen und dem Musikkurator Fuzzman) | |
bei der Pressekonferenz verstärkt, als sie mit bunten Balaklavas auf dem | |
Kopf den Raum betreten. Dass das aktuelle Fashion-Piece für die | |
Winterstunden nicht nur gegen Kälte schützt, sondern auf Demonstrationen | |
auch die Identität und dass sein Name aus der Zeit des Krimkriegs | |
(1853–1856) stammt, all dessen werden sich die Akteur:innen hier bewusst | |
sein. | |
Scham- und Schuldgefühle innerhalb von Familien, „Raubtierkapitalismus“ und | |
einst geraubte Gegenstände sollen unter anderem thematisiert werden während | |
der Festwochen. Alles unter dem Motto: „Vorwärts zu den Anfängen – Zurück | |
in die Zukunft.“ | |
2 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Sophia Zessnik | |
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