# taz.de -- Unheimlich deutsch | |
> Beklemmung zum Doppel-Jubiläum: Mit der Ausstellung „Der heimliche | |
> Kaiser“ blickt der Niederländer Marcel van Eeden in Goslar und in | |
> Braunschweig auf die örtliche Geschichte | |
Bild: Goslars Standbilder ragen ins Grauen: Marcel van Eeden, Der heimliche Kai… | |
Von Bettina Maria Brosowsky | |
„Leichtigkeit und Enthusiasmus“, so lautete 2009 der Titel einer | |
Gruppenschau mit sieben damals jungen internationalen Künstler:innen im | |
Kunstmuseum Wolfsburg. Mit dabei: der Niederländer Marcel van Eeden, | |
Jahrgang 1965, ein Spezialist für alle denkbaren Schattierungen von | |
Grautönen: gezeichnet oder gemalt. In der aktuellen Doppelausstellung „Der | |
heimliche Kaiser“ setzt er erstmals Mittel der Fotografie ein: Für die | |
gemeinsam vom Museum für Photographie in Braunschweig und dem Mönchehaus | |
Museum in Goslar ausgerichtete Schau verfasste van Eeden nun ortsbezogene | |
neue Arbeiten. | |
Wie der jetzige, so war auch der [1][Titel der Enthusiasmus-Ausstellung] | |
erklärungsbedürftig: Während letzterer als Triebkraft kreativen Tuns | |
unmittelbar einleuchtet, musste der Begriff der Leichtigkeit eine | |
Rückversicherung in der Kunsttheorie der Renaissance bemühen. Ein | |
souveräner, flüssiger Stil sowie schöpferische Spontanität in Konzeption | |
und Ausführung sollen ein Kunstwerk so erscheinen lassen, als sei es ohne | |
Anstrengung zu bewältigen gewesen. | |
Auf van Eedens Arbeiten traf das damals bereits zu: Er zeigte Wandbilder im | |
Geiste von Franz Kline (1910-1962), einem US-amerikanischen Vertreter des | |
abstrakten Expressionismus. In seinem Katalogbeitrag verschanzte sich van | |
Eeden hinter Auszügen aus einem recht kryptischen Prosatext, „Eduards | |
Traum“, von dem gemeinhin als humoristischer Dichter und Zeichner | |
rezipierten Wilhelm Busch. Und es fanden sich dort Beispiele aus van Eedens | |
Malerei, die einige seiner Fantasiefiguren wie Oswald Sollmann und Matheus | |
Boryna einführten, biografische Collagen. Ihre Gemeinsamkeit: Keine von | |
ihnen sollte länger als bis in van Eedens Geburtsjahr 1965 gelebt haben, so | |
wie sämtliche historischen Ereignisse ode Dokumente, aus denen sich van | |
Eedens mysteriöse Bilderzählungen in Schwarz-Weiß speisen, dieser | |
zeitlichen Beschränkung unterliegen. | |
Marcel van Eeden hat eine steile Karriere hingelegt. Er ist seit 2014 | |
Professor für Malerei und Grafik an der Staatlichen Akademie der Bildenden | |
Künste Karlsruhe, seit 2021 deren Rektor, erhielt 2023 den Hans-Thoma-Preis | |
des Landes Baden-Württemberg für Bildende Kunst. Die begleitende | |
Preisträgerausstellung veranlasste van Eeden, den Malerkollegen und | |
Namenspatron Thoma (1839–1924) zu hinterfragen. Dabei stieß er auf dessen | |
offen antisemitische Haltung und das von ihm propagierte Werk „Rembrandt | |
als Erzieher“ von Julius Langbehn (1851–1907). Mit dem unterhielt Thoma | |
einen intensiven Briefwechsel. In diesem kruden bis in die 1960er | |
auflagenstarken Werk wird von einem neuen heimlichen Kaiser gefaselt, einem | |
arischen Cäsaren. Als dessen Role-Models werden Leonardo, Shakespeare, Bach | |
und Bismarck herbeizitiert. Und seine große Gabe sollte sein, zu führen und | |
zu formen sowie „die Juden hinauszuschmeißen“. | |
Früher sei Fotograf sein Berufswunsch gewesen, so van Eeden. Mit der alten | |
fotografischen Technik des malerischen Gummidrucks beschäftigt er sich | |
dennoch erst seit gerade mal einem Jahr. Mit deren Hilfe hat er fürs | |
Kaiser-Projekt Textfragmente mit fotografischen Bildern aus Braunschweig | |
und Goslar gemischt. | |
Zu beiden passt der Titel, ebenso drängte sich geradezu auf, dafür auf die | |
materialreiche Historie beider Orte während der NS-Zeit zurückzugreifen: In | |
Goslar errang die NSDAP 1932 die absolute Mehrheit, im Freistaat | |
Braunschweig war sie bereits ab 1930 Teil der reichsweit zweiten | |
Regierungskoalition. Hier wurde 1932 der seit 1925 staatenlose Adolf Hitler | |
eingebürgert. Beide Städte bildeten ideale Projektionsflächen der | |
NS-Ideologie. Braunschweig kann als Zeichen Hitlerscher Dankbarkeit diverse | |
geschichtsrevisionistische Baumaßnahmen verbuchen, etwa die Neufassung von | |
Dominnenraum und Krypta in bester Reichsautobahnromanik. Oder die | |
weitläufige Anlage einer „Akademie der Jugendführung“ mitsamt monumentaler | |
Pfeilerhalle, direkt neben der Sommerfrische der Welfen, dem | |
Lustschlösschen Richmond. | |
Van Eedens fotografische Bildwelten fallen dräuend aus, der Druck auf | |
Aquarellpapier verleiht ihnen eine diffuse Ästhetik, die zeitlich kaum | |
einzuordnen ist. Sein düsteres Spiel von Fiktion und Realität hat in den | |
letzten Monaten und Wochen zudem weitere beklemmende Aktualität erhalten. | |
Das Projekt bildet den Auftakt von Feierlichkeiten beider Häuser: In | |
Braunschweig blickt man auf vier Jahrzehnte Bestehen zurück, in Goslar | |
sogar schon auf fünf. Leichte Kost ist es wahrlich nicht, die sich diese | |
sehr speziellen Kunstvereine zu ihren Ehren mit dieser Werkschau gönnen. | |
Ausstellung Marcel van Eeden: „Der heimliche Kaiser“, Museum für | |
Photographie Braunschweig und Mönchehaus Museum Goslar. Bis 21. April. | |
13 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Bettina Maria Brosowsky | |
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