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# taz.de -- Hüllenlos und auf Augenhöhe
> Mehr als eine gelegentliche Auszeit: Die Ausstellung „Echt heiß“ im
> Gemeinschaftshaus der Nordischen Botschaften in Tiergarten lädt ein, die
> finnische Saunakultur zu entdecken. Nach Anmeldung darf sogar gemeinsam
> geschwitzt werden
Von Luise Wolf
Seit Ende Januar kann [1][im Felleshus, dem Gemeinschaftshaus der
Nordischen Botschaften], das passenderweise selbst ein wenig wie eine Sauna
aussieht, finnische Saunakultur erlebt werden. Eine Ausstellung bringt sie
Interessierten in Fotografien, Videoinstallationen, historischen Aufnahmen
und einer Klang-installation näher. Auf der Terrasse kann nach vorheriger
Anmeldung an ausgewählten Tagen sogar tatsächlich sauniert werden; in zwei
Saunen, mit Birkenzweigbündeln und Aufguss frei nach Laune sowie rustikaler
Kaltwasser-Außendusche – echt finnisch eben.
Die Sauna ist die erste finnische Stätte, die in die Liste des
immateriellen Kulturerbes der Unesco aufgenommen wurde. Die Ausstellung
macht verständlich, warum. Eine Sauna – das ist mehr als nur die
gelegentliche Auszeit. Sie ist mit [2][der Lebensweise und Identität der
Finninnen und Finnen] tief verwoben und historisch so verwurzelt wie etwa
die Bade- oder Waschkultur in Deutschland. Sauna ist in Finnland etwas
„Alltägliches, fast wie ein Menschenrecht“, sagte der finnische
Botschafter, Kai Sauer, zur Eröffnungsfeier der Ausstellung. Es gibt in
Finnland 5,6 Millionen Einwohner:innen und schätzungsweise 3,5
Millionen Saunen, darunter private und öffentliche, Sommerhaussaunen,
Zeltsaunen oder mobile Saunen auf Rädern. Es könnten also alle finnischen
Menschen gleichzeitig in die Sauna gehen. Und sie tun das rege – alle
Altersgruppen von den Kindern bis zu den Alten, gern mehrmals die Woche und
an Feiertagen wie Mittsommer. Zu Weihnachten gehen etwa 80 Prozent der
Finnen in die Sauna.
Saunen werden in Finnland seit der Steinzeit genutzt. Hier wurde sich nicht
nur gewaschen und aufgewärmt, hier wurden Kinder geboren, Kranke gebettet
und die Toten gewaschen – ein ganzer Lebenszyklus spielte sich in der Sauna
ab. Es gibt den Ausspruch, die Sauna sei die Kirche der Finnen. Aber sie
war auch Küche, diente der Trocknung von Lebensmitteln und wurde wegen
ihrer vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten noch vor dem eigentlichen Wohnhaus
gebaut. Mit der Verstädterung im 19. Jahrhundert wurden vermehrt
öffentliche Saunen errichtet, die bis heute auch als soziale Orte beliebt
sind.
Immer noch unterscheidet sich die finnische Art zu saunieren von der
[3][Saunakultur anderer Länder] durch ihre freie Form; sie ist simpel und
gesellig. Sie ist kein geregelter Ort und kein Wellnesstempel. Ein Aufguss
ist kein Ritual, das von Saunameistern durchgeführt wird – solche gibt es
in Finnland nämlich gar nicht –, denn jede Finnin und jeder Finne versteht
es, Wasser auf Steine zu gießen und verdampfen zu lassen, sogar ein Kind.
In finnischen Saunen hängen keine Sanduhren und es herrscht kein
Redeverbot. Es gibt keine Regeln, außer: Tür zu.
Die Fotografien von Alexander Lembke zeigen die finnische Sauna, wie wir
sie uns vorstellen; als abgeschiedene Waldhütte, bärtige Männer stehen
davor im Schnee, Dampf steigt von ihrer Haut auf, vor ihnen ein Eisloch im
See. Die Fotografien von Susa Junnola und Liisa Takala zeigen eine andere
Seite: städtische Saunen und ihre Geselligkeit, Ungezwungenheit, Zeichen
alltäglicher Abnutzung und allzu Menschliches wie blutrote Haut, Dreck,
Keller-Romantik und jede Menge Schweiß auf Holz. Es ist wohl nicht
unüblich, in finnischen Städten auf den Gehwegen in Handtücher gehüllte
Menschen anzutreffen.
Gerade in der städtischen Sauna wird ein weiterer kultureller Aspekt
deutlich: Sie ist ein Ort der Gleichheit. Hier kommunizieren Menschen aller
Klassen hüllenlos auf Augenhöhe, weshalb die Sauna immer noch ein beliebter
Ort auch der politischen Diplomatie ist und jede finnische Botschaft über
eine Sauna verfügt. Nur, die Geschlechter sind in finnischen Saunen immer
noch getrennt.
In den Saunen auf der Terrasse des Felleshus kamen nach der Eröffnung der
Ausstellung Besucher:innen, Presse und Botschaftspersonal zusammen – und
zwar jeden Geschlechts. Bei einem feucht-heißen Saunaerlebnis wurden – echt
finnisch – viele Birkenzweige geschlagen und nicht über die Arbeit
gesprochen, sondern über Leichtes, Lustiges und Alltägliches. Die
finnischen Besucher:innen fanden das Saunaerlebnis authentisch: „Das
ist schon so, wie man es richtig macht“, meinte der Unternehmer Oskar. Die
Berlinerin Elsa fühlte sich an ihren Finnland-Urlaub erinnert. Sauna hier
sei „wie eine Party“. Das können wir in Berlin wirklich gut.
„Die Sauna. Echt heiß. Echt finnisch“, Gemeinschaftshaus der Nordischen
Botschaften, bis 14. April. Anmeldung zur Sauna:
[4][www.nordischebotschaften.org/veranstaltungen/saunieren-auf-der-felleshu
s-terrasse]
20 Feb 2024
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[4] http://www.nordischebotschaften.org/veranstaltungen/saunieren-auf-der-felle…
## AUTOREN
Luise Wolf
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