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# taz.de -- „Wir priorisieren dann“
> Anonym, 50, ist Erzieherin in einer Kita in München
Wir betreuen in unserem Kindergarten etwa 50 Kinder. Mal sind die Eltern
Akademiker, andere beziehen Sozialhilfe. Es ist alles da. Das funktioniert
ganz gut, weil wir nicht so krisengeplagt sind wie viele andere Kitas: Wir
haben gerade mal so genug Personal – alle sind gut ausgebildet, meine
Chefin hat eine Zusatzausbildung als Psychologin. Sie hält unser Team
zusammen, auch wenn wir gestresst sind. Und wir haben einige
Praktikant*innen, ohne die, das muss ich wirklich sagen, würde es nicht
laufen.
In der Praxis heißt das: Wir können uns mit den Kindern beschäftigen, wo
bei anderen Kitas nur noch beaufsichtigt wird. Wir setzen uns mit den
Kindern an den Tisch, basteln, machen unseren Morgenkreis. Die Kinder
singen meine Lieder mit Freude hoch und runter und ich singe bei ihnen
Quatsch mit ohne Ende. Das macht uns allen Spaß.
Gerade haben wir das Thema Kalender und sprechen darüber, warum wir
Silvester feiern. Ich habe erklärt, dass jetzt die Erde einmal um die Sonne
gekreist ist. Sie haben den Globus genommen, die Sonne genommen und haben
das nachgespielt. Diese Dinge passieren abseits von der Routine.
Aber auch wir kämpfen mit dem Fachkräftemangel. Wir achten streng darauf,
dass nie eine Erzieherin allein mit einer Gruppe ist. Wenn aber ein Kind
besonders hohen Förderbedarf hat, braucht es schon eine Person, die nur bei
ihm bleibt.
Wir haben zum Beispiel einen Jungen in der Gruppe, der zuhause Zugang zu
Filmen und Spielen bekommt, die nicht seinem Alter entsprechen. Der lebt
das im Kindergarten aus. Wir schauen, wenn er mit anderen spielt, dass da
nicht die Fäuste fliegen. Letzte Woche waren wir zu zweit, da ist zuerst
meine Kollegin mal rausgegangen und dann ich. Weil wir es nicht mehr
gepackt haben. Zu Mittag sind wir da alle schon ziemlich fertig.
Vor allem bräuchten wir auch Personal für die Verwaltung; die wurde in den
letzten Jahren immer mehr aufgebläht. Wir sind mehr im Büro und weniger bei
den Kindern. Wir priorisieren dann: Was ist gerade wichtig, was unwichtig?
Damit wir, wenn es nötig ist, für die Kinder und deren Eltern da sein
können. Denen machen wir nicht die Tür vor der Nase zu. Aber es ist
durchaus so, dass wir deshalb nach Feierabend auch mal ein oder zwei
Stunden dranhängen.
Wir haben es eben mit Einzelschicksalen zu tun, das darf man nicht
vergessen. Die Kinder, die dringend Hilfe brauchen, die, die schreien oder
die, die ganz still sind, denen fehlt oft das Rüstzeug zur Resilienz. Es
geht nicht nur darum, mit ihnen die Farben oder Jahreszeiten zu lernen.
Wenn wir ihnen beibringen, mit schwierigen Situationen umzugehen, nein zu
sagen, Grenzen zu zeigen – dann würde das auch der Gesellschaft viel
bringen.
Protokoll: Alena Wacenovsky
27 Jan 2024
## AUTOREN
Alena Wacenovsky
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