# taz.de -- Hirnevolution und Klang | |
> Jovana Maksić ist Neurowissenschaftlerin, steht den Methoden der | |
> Forschung aber kritisch gegenüber. Am Sonntagnachmittag moderiert sie | |
> beim Festival CTM ein Panel zu körperlichen Erfahrungen beim Hören | |
Bild: Die Neurowissenschaftlerin Jovana Maksić | |
Von Yelizaveta Landenberger | |
„In meinem Labor kitzelten wir Ratten und nahmen ihre Rufe mit einem | |
Ultraschall-Mikrofon auf. Wir wollten verstehen, was sie sagen“, berichtet | |
die Neurowissenschaftlerin Jovana Maksić während einer Präsentation für das | |
Berliner Netzwerk Trust von ihrer früheren Forschung. Damals fiel ihr auf, | |
dass die Ratten kurze Töne von sich gaben, mutmaßlich eine Form von | |
„Proto-Lachen“ – ein evolutionsbiologischer Vorgänger des menschlichen | |
Lachens. Besonders faszinierend habe sie bei ihrer Forschungsarbeit | |
gefunden, wie kleinste physiologische Veränderungen im Gehirn gewaltige | |
Auswirkungen auf das Verhalten der Tiere hatten. | |
Jovana Maksić ist auch auf dem diesjährigen CTM-Festival im Radialsystem | |
vertreten, wo sie die Veranstaltung „Embodied Listening“ moderiert. Die 25. | |
Ausgabe des Berliner Elektronikfestivals „für abenteuerliche Musik und | |
Kunst“ setzt neben zahlreichen Konzerten [1][in renommierten Locations wie | |
dem Berghain] und Silent Green auch auf Veranstaltungen, die sich auf einer | |
eher theoretischen Ebene bewegen und Musik und aktuelle Forschung | |
zusammenbringen sollen. Bei den sogenannten Research-Networking-Days | |
tauschen sich Studierende, Wissenschaftler*innen und Künstler*innen | |
aus diversen Bereichen in verschiedenen Panels zum Festivalthema „Sustain“ | |
aus. Das Format besteht aus zehnminütigen Präsentationen mit anschließenden | |
Diskussionen nach jedem Vortrag sowie am Ende der Panels. Der Eintritt zur | |
Veranstaltung ist frei. | |
Das von Jovana Maksić moderierte Panel beschäftigt sich mit dem sogenannten | |
verkörperten Hören. Hier wird die körperliche Erfahrung beim Hörprozess in | |
den Vordergrund gerückt und sieht diesen nicht als passive, sondern als | |
bewusste und aktive Handlung an. So spielen im Vortrag der dänischen | |
Künstlerin Ragnhild May „Der Körper als Ort der Komposition“ Differenztö… | |
und das Verhältnis zwischen Instrument und Körper eine Rolle. Teil des | |
Panels ist auch Mariana Dias aus Miami, die derzeit einen Master an der | |
Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) Berlin | |
absolviert und im Bereich Online-Radio und audiovisuelle Übersetzung | |
arbeitet. Sie beschäftigt sich in ihrer Forschung mit dem Thema | |
Barrierefreiheit bei Untertiteln für künstlerische Arbeiten. Dritter | |
Speaker ist Jaka Škapin, Performance-Künstler und Komponist aus Slowenien, | |
der seine Präsentation dem Thema „Kollektive Identität: Kollaborative | |
Improvisation, Stimme, Bewegung und die Parkinson-Krankheit“ widmet. | |
Die Moderatorin der Veranstaltung Maksić selbst forscht nicht mehr aktiv, | |
möchte nun als „Medium zwischen verschiedenen Bereichen vermitteln“. Ihr | |
persönliches Interesse gilt der Frage, wie sich menschlicher und | |
nichtmenschlicher Verstand und Kultur entwickeln. Sie arbeitet aktuell für | |
zwei verschiedene Thinktanks: für Trust, einen experimentellen Thinktank, | |
der „kollektive Wege des Lesens, Schreibens und Forschens erforscht“ sowie | |
für das Frankfurter Ernst-Strüngmann-Forum. Letzteres setzt sich zum Ziel, | |
das Wissen in den Grundlagenwissenschaften zu erweitern. | |
Aufgewachsen ist Maksić in einer kleinen Stadt in Nordserbien. Zum Studium | |
verschlug es sie nach Shanghai, wo sie an der dortigen Zweigstelle der NYU | |
Neurowissenschaften studierte. Damals habe sie sich mehr für die Hirne als | |
für die Organismen dahinter interessiert. Allerdings seien ihr schon früh | |
Zweifel an den neurowissenschaftlichen Methoden gekommen, da die | |
Experimente mit den Tieren in vollkommen künstlichen Laborsituationen | |
durchgeführt werden, die sich sehr stark von den realen Bedingungen, in | |
denen diese leben, unterscheiden. Ihre weiteren Stationen führten sie unter | |
anderem an die Humboldt-Universität zu Berlin und an das | |
Ernst-Strüngmann-Institut in Frankfurt, wo sie eine Doktorarbeit begann. | |
Darin forschte sie zur Orientierung von kleinen Primaten im Raum, mit | |
kleinen Äffchen also. Sie sollten in Käfigen rotieren und ihre | |
Gehirnaktivitäten dabei aufgezeichnet werden. Doch dazu kam es nie –- | |
Maksić brach das Projekt ab. Der Grund: Sie hatte eine persönliche | |
Beziehung zu den Labortieren aufgebaut: „Ich hörte auf, mich für ihre | |
Gehirne zu interessieren, und war besessen von ihrem Verhalten und ihren | |
Persönlichkeiten.“ Nachdem sie die akademische Forschung immer mehr | |
frustriert hatte, gelangte sie schließlich zu der Überzeugung, dass man nur | |
in der Natur das Verhalten der Tiere wirklich verstehen könne. Auch der | |
Auffassung, dass die Menschen die höchsten Primaten seien, steht sie | |
kritisch gegenüber und fordert eine „Primaten-Pluralität“ ohne Hierarchie… | |
Jovana Maksić ist jedoch nicht nur Neurowissenschaftlerin, das | |
Festivalprogramm beschreibt sie zudem „als Musikliebhaberin, Hüterin der | |
Folklore und Verfechterin des bürgerlichen Aktivismus auf dem westlichen | |
Balkan“ – eine passende Besetzung für den transdisziplinär angelegten | |
theoretischen Teil des CTM. | |
CTM: Embodied Listening Research. Networking Day 2, Radialsystem, 4. | |
Februar, 13.50 Uhr | |
1 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Yelizaveta Landenberger | |
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