# taz.de -- Von Abschied und Erinnerung | |
> Auch die taz, die sich für ewig jung hält, muss der Sterblichkeit | |
> begegnen: Wir schaffen eine letzte Ruhestätte für tazler*innen und | |
> Angehörige auf dem Alten St. Matthäus Friedhof in Schöneberg, nah an der | |
> Grenze zu Kreuzberg | |
Bild: Zwischen den Brüdern Grimm und Rio Reiser findet auch die taz ihren Platz | |
Von Ulrike Winkelmann und Lana Wittig | |
Die Beerdigung unseres früheren Kollegen Daniel Haufler im Frühjahr 2023 | |
war schrecklich traurig, aber auch würdig und schön. Obwohl Daniel seit | |
vielen Jahren nicht mehr in der taz gearbeitet hatte, sammelten sich doch | |
großenteils tazlerinnen und tazler erst in der Kapelle und dann am | |
Urnengrab. Es war auch eine kleine taz-Combo, aktuelle wie ehemalige | |
KollegInnen, die Daniels Beerdigung und das Davor und Danach organisiert | |
hatten. | |
Daniel Haufler liegt nun auf dem Georgen-Parochial-Friedhof am Fuß des | |
Prenzlauer Bergs in Berlin begraben, direkt neben einem guten Freund, dem | |
früheren taz-Redakteur Christian Semler. Dessen Beerdigung war ziemlich | |
genau zehn Jahre zuvor ein noch weit größeres Ereignis gewesen. Hunderte | |
kamen zur Trauerfeier in der Volksbühne, denn Christian hatte eine bewegte | |
Vergangenheit als 68er-Aktivist, viele hatten seinen Weg verfolgt. | |
Vielleicht war Christian Semlers Beerdigung die erste Gelegenheit, bei der | |
wir in der taz lernten, dass man auch in einer Zeitung, die sich für ewig | |
jung hält, der Sterblichkeit begegnet. Sicherlich aber war Daniel Hauflers | |
Beerdigung eine Gelegenheit, bei der wir lernten, dass die taz eine Familie | |
sein kann, die sich bis ganz zum Schluss und darüber hinaus kümmert. | |
Wir beschlossen: Wir brauchen eine Grabstätte – für uns, für die | |
Kolleginnen und Kollegen, denen die taz Familie ist, oder für die die taz | |
einer Familie gleichkommt. Genossenschaftsleitung, Geschäftsführung und | |
Chefredaktion liefen also im Sommer über Berliner Friedhöfe, dachten über | |
denkmalgeschützte Gitterzäune nach und durften feststellen, was für | |
interessante Menschen in Friedhofsverwaltungen arbeiten. | |
Die Wahl fiel schließlich auf ein schönes Fleckchen auf dem Alten St. | |
Matthäus-Friedhof in Schöneberg, ganz nah an der Grenze zu Kreuzberg. Von | |
der taz an der Friedrichstraße 21 fährt man in unter 15 Minuten mit dem | |
Fahrrad dorthin. Es ist ein Friedhof, auf dem neben manchen Berühmtheiten – | |
von den Brüdern Grimm bis Rio Reiser – auch viele Menschen aus typisch | |
linken Westberliner Kreisen und Klüngeln begraben liegen. Der | |
Friedhofsverwalter, der uns die infrage kommenden Grabstellen zeigte, | |
entpuppte sich zu unserer Überraschung schon beim ersten Rundgang als | |
ehemaliger Mitarbeiter der taz: Er hatte tatsächlich nach der | |
AKW-Katastrophe von Fukushima für die taz Texte aus dem Japanischen | |
übersetzt. | |
Schneller als wir es selbst für möglich gehalten hätten, wurde die | |
ausgewählte Stelle gebraucht. Einer der leidenschaftlichsten | |
taz-Handverkäufer aller Zeiten war gestorben, jahrzehntelang hatte er | |
unsere Zeitung in den Gaststätten Charlottenburgs und Wilmersdorfs | |
verteilt. Richard Nelson French – vielleicht haben Sie die Traueranzeige | |
kurz vor Weihnachten in der taz gesehen – ist nun der Erste, der auf | |
unserer neuen, flugs von wucherndem Gestrüpp bereinigten Grabstätte mit | |
etwas Live-Musik und mit Blumen aus Zeitungspapier beerdigt wurde. | |
Im Frühjahr dieses Jahres nun müssen wir uns erst einmal mit der Sanierung | |
der Grabstätte befassen. Denn das ist die Auflage, die der Friedhof der taz | |
macht: Die historische Substanz der alten Gräber muss erhalten, die | |
Umfriedung gefestigt, die Mauer gestrichen werden. Ob man wohl eine Bank | |
davorstellen kann? Sicherlich aber werden wir auch die taz-Tazze an einem | |
stilvoll-prominenten Ort unterzubringen wissen. | |
20 Jan 2024 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Winkelmann | |
Lana Wittig | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |