# taz.de -- berliner szenen: Die 60 Minuten zum After | |
Warum heißt der Laden denn After?“ Dilek scrollt die Einladung zu dem | |
Musikabend in dem Privatclub an der Köpenicker herunter und schaut mich | |
irritiert an. Gute Frage. Warum eigentlich? „Afterparty? After-Eight? Das | |
Wort für Darmausgang als rhetorische Provokation?“, rätsele ich, während | |
ich überlege, ob ich den roten oder den violetten Hoodie anziehe. Name | |
egal, wir müssen los. | |
Irgendwie sind wir aufgeregt. Endlich ist hier hinten wieder was los, was | |
waren das für geile Filmabende früher. Als wir ankommen, sieht das neue | |
After aus wie das good old Basso. Nur dass die Wände des schmalen | |
Querriegels auf dem Hof des bröckelnden Handwerkerareals jetzt mit riesigen | |
grauen Boxen gepolstert sind. Die Fenster sind verhängt, vor der Tür steht | |
Yushi im verbeulten Trainingsanzug und raucht. „Und warum hören wir das im | |
Dunkeln?“, fragt Dilek. „Heute Nacht war Neumond“, entgegnet er ironisch. | |
Punkt acht geht es los und das Licht aus, selbst die Barleuchte dimmt | |
herunter. Auf dem Plattenteller liegt Coils „Musick to play in the dark“ | |
von 1999. Schon lustig, wie sich die kleine, zappelige Crowd zu dieser | |
lunar consciousness musick for the foreseeable future der britischen | |
Avantgarde-Band auf den Stühlen regungslos zusammensackt und geschlagene 60 | |
Minuten den Weg nach innen antritt. „We ask for your silence“, wabert es | |
sphärisch aus zwei schafottgroßen Lautsprechertürmen. Daneben glimmen | |
Räucherkerzen in einem Keramikaltar auf dem Boden. | |
Stumm machen wir uns auf den Weg nach Hause, das gottlose Kreuzberg ist | |
grell erleuchtet. In fast jedem Fenster blinken Weihnachtssterne, | |
Rentierschlitten, Lichterketten. Beim Blick in den Himmel über dem Kotti | |
kann man an der feinen Silbersichel noch die Nachtseite des Mondes erahnen | |
– eine Art afterglow. Ingo Arend | |
4 Jan 2024 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arend | |
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