# taz.de -- kritisch gesehen: „klima nahrung natur“ im braunschweiger museu… | |
Same procedure as every year! Wenngleich noch nicht so lange wie „Dinner | |
for one“ im Norddeutschen Rundfunk findet auch rund um den diesjährigen | |
Jahreswechsel wieder die traditionelle Mitgliederausstellung im | |
Braunschweiger Museum für Photographie statt. Und wie jedes gute Ritual | |
benötigt auch sie genaue Vorbereitung, die immer ähnlich abläuft. Zeitig im | |
Jahr wird ein Motto abgestimmt, „Klima, Nahrung, Natur“ lautete es diesmal. | |
Wie immer ermöglicht es reichlich gedanklichen und assoziativen Freiraum in | |
der individuellen Auslegung. Stets folgen Diskussionen oder Workshops und | |
die gemeinsame Auswahl der Bilder, auch die handfeste Mithilfe bei der | |
weiteren Umsetzung einer Präsentation ist sichergestellt. Und explizit muss | |
kein neues Bild- oder auch Filmmaterial produziert werden, darf aber | |
natürlich. | |
Lieber aber, so scheint es, mischen die Teilnehmer:innen ohnehin Älteres | |
aus dem Fundus mit aktuellen Impulsen zu kleinen Serien oder Dialogen. 41 | |
Bildautor:innen sind nun dabei, das älteste Foto datiert von „ca. | |
2007“, so Irene Heimsch, demonstriert in einem einzelnen Schwarz-Weiß-Bild | |
die Symbiose von Mensch, Natur und Pflanzen. Auch Jörg Hennings aus | |
Wolfsburg liebt diese Technik der Fotografie, besonders in einer | |
malerischen Variante, fügt Impressionen aus deutschen und internationalen | |
Städten zu einer Wandinstallation – im Blick: der freie Vogel im urbanen | |
Setting. | |
Als neues Mitglied im Verein ist Dorothea Rieck erstmals mit von der | |
Partie. Sie zeigt neun kleinere Formate, entstanden bis 2020, die | |
Fundstücke aus ihrem Garten präsentieren. Alles ist eindringlich vor | |
schwarzer Kulisse inszeniert und perfekt ausgeleuchtet. Verwelkte Blüten | |
sieht man, eine Distel, eine große dreifarbige Zitrone mit drei Stadien des | |
Verschimmelns – vielleicht dann doch nicht aus eigenem Anbau – und einen | |
Rollmops – der stammt definitiv aus dem Glas. Ihr Vanitas-Tableau | |
überrascht mit fotografischer Präzision und einer guten Portion frischem | |
Humor. | |
Über einen Wildgarten herrscht Henrike Junge-Gent. Sie drapierte in diesem | |
Jahr Kräuter auf bunten Porzellantellern ihres Haushalts, auch sie fügt | |
ihre Fotografien zu einem strengen Tableau. Ihr Betrachtungsinteresse: | |
viele früher als Unkraut diskreditierte Wildpflanzen sind nicht nur | |
botanisch und ökologisch wertvolle Ressourcen, etwa für Insekten, sie haben | |
mittlerweile in Bio-Märkten und Gourmet-Küchen Einzug gehalten. Aber schon | |
Dürer wusste in seinen Naturstücken bekanntlich um die Qualität essbarer | |
oder medizinisch wirksamer Pflanzen, so Junge-Gent. Ein kleines | |
Kräuter-Stillleben steuert Catherine Peter bei: eine über den | |
Basilikum-Topf, vielleicht ja vom Bio-Markt, ins häusliche Ambiente | |
eingeschleppte große Schnecke. | |
Aber es gibt natürlich auch die vom Menschen geschundene Natur. Christine | |
Mansfeld dokumentiert das gestalterische Unvermögen in neuen | |
Eigenheimgebieten: Garagen, Schottergärten und andere Ödnis, aber stets | |
wehrhaft umzäunt. Bereits 2013 durchstreifte Michel Ewen den steinigen | |
Strand von Bordighera in Ligurien. Er war früh im Jahr dort, noch bevor die | |
Küste für die Tourist:innen von Unrat gereinigt wird. Und stieß auf ein | |
angerostetes, einstmals sicherlich geliebtes Kinderfahrrad, das dort | |
achtlos entsorgt wurde. Es bedeutet für Ewen aber nicht nur Müll, der die | |
Umwelt belastet. Das früher einmal buntglänzende Gefährt erzählt für ihn | |
von der verrinnenden Zeit und der Vergänglichkeit alles Irdischen, ein | |
Schicksal das zumindest Nahrung und Natur teilen, dem Klima zur Weltgänze | |
aber hoffentlich erspart bleiben wird. Bettina Maria Brosowsky | |
22 Dec 2023 | |
## AUTOREN | |
Bettina Maria Brosowsky | |
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