# taz.de -- taz🐾thema: Mehr als Geld: nachhaltige Werte | |
> Es lohnt sich, die finanziellen Seiten des Lebens offen anzugehen – über | |
> Zahlen und Konsum hinaus. Wer sich ehrlich mit materiellen Werten | |
> auseinandersetzt, kann nicht nur zwischenmenschlich viel gewinnen, | |
> sondern macht sich auch andere Werte bewusster | |
Bild: Wenn’s ums Geld geht, sollte man die Karten früher oder später offen … | |
Von Lars Klaaßen | |
Geld stinkt nicht. Das haben zwar schon die alten Römer behauptet, aber | |
eine feine Nase hatten sie in dieser Hinsicht nicht. Wer sich rücksichtslos | |
finanziell bereichert, hinterlässt in der Regel unangenehme Spuren, auch | |
denn dieser Preis anderswo anfällt und von anderen gezahlt werden muss. | |
„Gerade weil Geld nur ein Medium ist, stellt sich immer die Frage, was man | |
damit bewirkt“, sagt Nicole Rupp, die als Coach zu Aspekten von Geld und | |
Beziehung berät. „Egal, ob man sein Geld für Konsum ausgibt oder es | |
investiert, beides hat soziale und ökologische Folgen.“ | |
Es ist paradox: Obwohl Geld in vielen Lebensbereichen eine große Rolle | |
spielt, heißt es immer wieder, über Geld spricht man nicht. Die meisten | |
Menschen kostet es Überwindung, dieses Thema anzuschneiden. Sie wollen bei | |
anderen keinen Neid wecken oder gar ausgenutzt werden. Oder es ist ihnen | |
peinlich, mit einem niedrigen Einkommen als vermeintlich erfolglos | |
dazustehen. | |
Wie wichtig es ist, offener mit Geld umzugehen, zeigt ein Blick auf den | |
Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen. Um den sogenannten | |
Gender Pay Gap zu überwinden, muss man auch wissen, was vor allem die | |
Kollegen verdienen und was man in den Gehaltsverhandlungen verlangen kann. | |
Auch im Privatleben hat es Vorteile, offen darüber zu sprechen, was man | |
verdient, besitzt oder geerbt hat. Warum sollte man mit vertrauten Menschen | |
nicht teilen, welche Erfahrungen man mit bestimmten Geldanlagen gemacht | |
hat, wie viel die eigene Miete beziehungsweise Immobilie kostet oder wie | |
man sich mit einer Erbengemeinschaft geeinigt hat? | |
Das Problem: Meistens geht es bei Geld um mehr als Zahlen und Konsum. Denn | |
Geld gilt zwar als ein rationales Thema – „in Wirklichkeit zählt es aber zu | |
den emotionalsten“, meint Rupp. „Und gerade emotionale Themen werden stark | |
tabuisiert – dazu zählen neben sexuellen auch die finanziellen Seiten des | |
Lebens.“ | |
Wer über wie viel Geld verfügt und was man damit tun möchte, prägt unser | |
persönliches Leben und unseren sozialen Umgang miteinander. Vor allem da, | |
wo ein Gefälle bei Besitz beziehungsweise Einkommen besteht, wirkt es sich | |
auch auf unsere Beziehungen aus, wenn auch meist unausgesprochen und | |
unbemerkt. Damit bewusst umzugehen, offen und ehrlich darüber zu | |
kommunizieren, kann in Freundschaften und Familien vieles erleichtern. | |
Dabei sollte man im Blick behalten, dass Geld allein nicht glücklich macht, | |
meint Rupp: „Der persönliche Finanzrahmen spielt in der Regel eine | |
geringere Rolle, als viele denken. Über einem Jahreseinkommen von rund | |
80.000 Euro steigt das Glücksempfinden durch mehr Geld nur noch marginal.“ | |
Es kann aber durchaus befriedigen, sein Geld für Sinnstiftendes | |
einzusetzen: ob ökologische oder soziale Projekte, an engagierten Akteuren | |
mangelt es nicht. Ein Investment kann selbstlos sein oder gutes Bewirken | |
und dabei auch noch etwas für die Person abwerfen, die das Geld gegeben | |
hat. Ob man einer gemeinnützigen Organisation etwas spenden möchte oder | |
sein Geld bei einer Bank anlegt: Wichtig ist, genau hinzuschauen. | |
## Persönliche Nähe | |
Der genaue Blick sollte bei der eigenen Person anfangen: Wer reinen Tisch | |
machen will, sollte im ersten Schritt sich selbst gegenüber ehrlich sein | |
und sich Klarheit über die eigenen Finanzen verschaffen. „Das bedeutet, | |
dass man Einkommen und Vermögen den Ausgaben und gegebenenfalls Schulden | |
gegenüberstellt“, erläutert Rupp. „Neben diesen Finanzen im engeren Sinne | |
sind auch vorhandene Versicherungen relevant sowie Verträge, die man | |
abgeschlossen hat. Daraus ergibt sich ein Bild der eigenen Möglichkeiten | |
und manchmal auch Risiken.“ | |
Natürlich müsse man nicht mit entfernten Bekannten über die eigenen | |
Geldangelegenheiten sprechen. „Aber je näher Menschen sich sind, desto eher | |
ist dies geboten“, empfiehlt Rupp. Denn nicht selten berührt die eigene | |
finanzielle Situation auch die Interessen von Ehepartnern, | |
Familienmitgliedern oder engen Freundinnen. Stellt man dagegen das Thema | |
Geld so lange hinten an, bis es sich nicht mehr umgehen lässt, wird es umso | |
verzwickter. Denn wenn beispielsweise eine Schuldenlast drückt oder ein | |
Erbe in der Familie angetreten wird, ohne dass die Betroffenen zuvor | |
informiert wurden, bleibt mitunter wenig Zeit, eine für alle angemessene | |
Lösung zu finden. | |
Ein Gespräch über finanzielle Angelegenheiten kann sich mit drei | |
verschiedenen Bereichen befassen. Erstens: Wie die Situation im Hier und | |
Jetzt aussieht und was man daraus machen möchte beziehungsweise muss. | |
Zweitens: Inwiefern man mittel- und langfristige Pläne verfolgen möchte und | |
was dafür finanziell anzugehen ist. Selbst kleinere monatliche Geldbeträge, | |
die etwa in nachhaltige Beteiligungen investiert werden, wachsen über die | |
Jahre an. Drittens, mit Blick auf das eigene Lebensende: Welche Werte | |
zählen für mich im Leben? Und wer kümmert sich um meine Werte, wenn ich | |
dazu nicht mehr in der Lage oder verstorben bin – und zwar in meinem Sinne? | |
„Es ist gut, sich frühzeitig darüber Gedanken zu machen“, rät Rupp. „Wo | |
kann und möchte ich sinnvoll etwas stiften?“ Das kann eine gemeinnützige | |
Organisation sein oder ein Nachhaltigkeitsfonds, der Hinterbliebene | |
finanziell absichert und ökologisch lange Gutes bewirkt. | |
## Die Kunst, loszulassen | |
Spätestens wenn es um den eigenen Nachlass geht, empfiehlt es sich, mit den | |
Menschen, die es betrifft, rechtzeitig und offen zu sprechen. „Jeder dieser | |
Bereiche erfordert gegenseitiges Vertrauen“, sagt Rupp. „Doch vor allem | |
wenn es perspektivisch daran geht, loszulassen, ist dieses Vertrauen eine | |
unerlässliche Voraussetzung.“ | |
Wer seine Finanzen geordnet hinterlassen möchte, kann hierfür einen | |
Notfallordner erstellen. Das macht es Angehörigen im Todesfall deutlich | |
leichter, das Richtige zu tun. Dort hinein gehören unter anderem Angaben zu | |
bestehenden Bankkonten und Aktiendepots, Kopien von Miet- und | |
Telekommunikationsverträgen sowie von sämtlichen Policen. Es empfiehlt sich | |
zudem, einer vertrauten Person eine Bankvollmacht zu erteilen und eine | |
Kopie davon in den Ordner zu packen. | |
„In ein offenes Gespräch mit den Erbinnen und Erben gehören auch Fragen | |
danach, was mir wichtig ist und was nach mir bleiben soll“, betont Rupp. | |
Nachhaltiges Investment über den eigenen Tod hinaus sollte die | |
Hinterbliebenen miteinbeziehen. „Eine schöne Erfahrung beim Loslassen ist: | |
Großzügigkeit fühlt sich großartig an!“ | |
https://geldbeziehung.com/ | |
11 Nov 2023 | |
## AUTOREN | |
Lars Klaaßen | |
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