# taz.de -- Vier Wände ergebenein Leben | |
> In ihrer Arbeit „Home Street Home“ hat die Fotografin Debora Ruppert | |
> ehemalige Obdachlose porträtiert, die es geschafft haben, wieder eine | |
> Wohnung zu finden. Die Bilder sind zur Zeit in einer Ausstellung im | |
> Bundestag zu sehen | |
Fotos: Debora Ruppert | |
Auf den ersten Blick wirken sie harmlos, diese Bilder von Menschen in ihren | |
Wohnungen, voller scheinbar belangloser Details: ein auf dem Sofa | |
drapiertes Kissen hier, eine Topfpflanze dort. Um die Wucht von Debora | |
Rupperts Fotografien zu verstehen, muss man die Vorgeschichte kennen. Denn | |
diese Menschen aus allen möglichen Ecken der Bundesrepublik haben eins | |
gemeinsam. Bevor sie diese Wohnungen bezogen, haben sie alle auf der Straße | |
gelebt.Die Ausstellung „Home Street Home“, die derzeit im Paul-Löbe-Haus am | |
Bundestag zu sehen ist, erzählt mit positiven Bildern und Geschichten von | |
einer furchtbaren Angelegenheit. Denn weil die Geborgenheit spürbar wird, | |
die ein paar Wände ausmachen, und das Emotionale hinter ein paar im Grunde | |
banalen Dekoartikeln, bekommt man beim Betrachten der Bilder zumindest eine | |
kleine Ahnung vom Leben auf der Straße. Wo es all das nicht gibt. | |
Gerade jetzt – mit dem Winter vor der Tür – geht es bei der Frage nach dem | |
Dach über dem Kopf buchstäblich um Leben und Tod. Im Durchschnitt erfrieren | |
in Deutschland jeden Winter ungefähr 15 Wohnungslose auf Parkbänken, unter | |
Planen und in Hauseingängen. Die Zahl derer, die wegen Nässe, Kälte und den | |
hygienischen Bedingungen der Straße an vergleichsweise harmlosen | |
Krankheiten versterben, ist um ein Vielfaches höher. Und so komisch das | |
klingen mag: Das Leben auf der Straße ist teuer. Wer nicht kochen kann und | |
keine Vorräte lagern, der gibt Unsummen aus für warmes Essen und für | |
Kaffee. Weil man ohne Wohnsitz kaum eine Wohnung findet, dreht sich das | |
Problem im Kreis – nicht wenige Wohnungslose kommen tageweise für horrende | |
Summen oder andere Ausbeutungsformen irgendwo unter. Auch daran erinnern | |
diese Fotografien, obwohl sie doch eigentlich das Gegenteil zeigen. | |
Trotz der Intimität dieser Bilder stellt Debora Ruppert diese Menschen | |
nicht aus. In vielen Händen sind Selbstauslöser zu sehen, die Kontrolle | |
über den eigenen Ausdruck ermöglichen und Authentizität schaffen. Denn das | |
ist noch so eine Banalität, über die man in einer besseren Welt gar nicht | |
erst sprechen müsste: Die Personen auf diesen Bildern, die auf der Straße | |
gelebt haben, sehen aus wie ganz normale Menschen. | |
Jan-Paul Koopmann | |
Die Ausstellung „Home Street Home“ ist noch bis zum 17. November im | |
Paul-Löbe-Haus zu sehen, montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr, dienstags | |
bis 18 Uhr. Anmeldung zwei Tage vor dem Besuch per E-Mail an | |
[email protected] | |
11 Nov 2023 | |
## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
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