| # taz.de -- CDU meißelt an der Brandmauer | |
| > Führende Unions-Politiker*innen rechtfertigen, dass die Thüringer | |
| > CDU mithilfe der AfD die Regierung überstimmte. Kritik kommt kaum | |
| Bild: Die neue Thüringer Dreierkoalition? Thomas Kemmerich (FDP), CDU-Chef Mar… | |
| Von Jana Ballweber und Dinah Riese | |
| Die CDU in Thüringen jubelt: Am Donnerstag brachte die Oppositionspartei | |
| einen Antrag auf Senkung der Grunderwerbsteuer durch den Landtag – [1][mit | |
| den Stimmen der FDP und der AfD]. Noch vor Kurzem hatte der | |
| Bundesvorsitzende Friedrich Merz jede Zusammenarbeit mit der | |
| Rechts-außen-Partei kategorisch abgelehnt. [2][Das scheint nun Makulatur | |
| zu sein] – und der allergrößte Teil der Union zieht mit. | |
| Öffentlich dominiert unter den Äußerungen prominenter | |
| Parteivertreter*innen das Narrativ: Einen Antrag durchzubringen, der | |
| ohne AfD-Stimmen chancenlos wäre, sei gar keine Zusammenarbeit. Diese | |
| Meinung vertritt auch der CDU-Parteichef: „[3][Wir machen das, was wir in | |
| den Landtagen wie auch im Deutschen Bundestag diskutieren, nicht von | |
| anderen Fraktionen abhängig“], hatte Merz schon am Donnerstagmorgen dem | |
| Sender RTL gesagt. Die thüringische CDU habe ihr Vorgehen mit ihm | |
| abgesprochen. | |
| Zum Amtsantritt im Dezember 2021 hatte Merz noch eine „Brandmauer“ gegen | |
| die AfD angekündigt und jeglicher Zusammenarbeit eine Absage erteilt. Doch | |
| viele Unions-Leute scheinen „Zusammenarbeit“ inzwischen sehr eng | |
| auszulegen. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder gab Merz | |
| recht, CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte der Rheinischen Post: | |
| „Wie andere Fraktionen sich dazu verhalten, darf für uns nicht Maßstab | |
| sein.“ | |
| So sieht es auch Unionsfraktionsvize Jens Spahn: „Wir können als CDU | |
| richtige Positionen nicht aufgeben, nur weil auch die Falschen sie richtig | |
| finden“, schrieb dieser auf X, vormals Twitter. Und die CDU-Vizevorsitzende | |
| und Bildungsministerin in Schleswig-Holstein Karin Prien [4][sagte im | |
| Deutschlandfunk], es gebe keine Zusammenarbeit, aber die CDU müsse | |
| „konstruktive Sacharbeit in Thüringen machen können, ohne dass gleich | |
| dieser Vorwurf erhoben wird“. | |
| Nur wenige Unions-Politiker*innen haben sich bislang kritisch zum | |
| Vorgehen ihrer Thüringer Parteikolleg*innen geäußert. Zu ihnen zählt | |
| Priens Vorgesetzter, Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel | |
| Günther: „Ein wie auch immer geartetes Zusammenwirken mit der AfD ist | |
| ausgeschlossen“, erklärte er am Freitagvormittag. „Das gilt auch für eige… | |
| Initiativen, die absehbar nur mithilfe dieser Partei Aussicht auf Erfolg | |
| haben.“ | |
| Das sind klare Worte – aber unter führenden Unions-Politiker*innen | |
| ist Günther damit ziemlich allein. Kritik am Verhalten der Thüringer CDU | |
| kommt, wenn überhaupt, aus der zweiten und dritten Reihe. Etwa vom | |
| ehemaligen saarländischen Ministerpräsidenten und heutigen | |
| CDU-Landtagsabgeordneten Tobias Hans. „Es ist und es bleibt falsch, mit der | |
| AfD politische Mehrheiten durchzusetzen“, [5][schrieb Hans] auf X. Die | |
| Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Elisabeth | |
| Winkelmeier-Becker, [6][erklärte]: „Auch nach 1x drüber schlafen nicht | |
| besser: bin enttäuscht und entsetzt über die Abstimmung in #Thüringen! | |
| #noafd“. Der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz twitterte: | |
| „Diesen Preis hätte die @cdu_thueringen NIE bezahlen dürfen. Klarer Verstoß | |
| gegen den Beschluss des CDU-BPT [Bundesparteitags; d. Red.], der JEDE | |
| politische Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt“. | |
| Der Soziologe Matthias Quent sieht in der Abstimmung einen „weiteren | |
| Schritt in Richtung Normalisierung von Rechtsextremismus“, wie er der taz | |
| sagte. Die Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD sei ein weiterer Baustein | |
| einer Entwicklung, zu der Quent etwa auch den Antisemitismusskandal in | |
| Bayern rund um Hubert Aiwanger und die teils offene rechte Flanke von | |
| CDU-Parteichef Merz rechnet. | |
| Das Argument, man habe nur den eigenen Antrag eingebracht, dem die AfD | |
| zufällig auch zugestimmt habe, will Quent nicht gelten lassen: „Es war | |
| klar, dass die AfD zustimmt, sie hat extra einen eigenen Antrag von der | |
| Tagesordnung genommen, damit der CDU-Antrag noch verhandelt werden konnte.“ | |
| Die CDU wisse genau, was sie tue, so Quent: „Sie wollte mit der Abstimmung | |
| das Spektrum des Machbaren erweitern.“ Weil die Mehrheitsverhältnisse in | |
| Thüringen und anderen ostdeutschen Bundesländern extrem kompliziert seien | |
| und die Bundespartei eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei weiterhin | |
| ausschließe, sei eine Annäherung an die AfD die einzige Machtoption, die | |
| der Union noch bleibe. | |
| 16 Sep 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /!5960413&SuchRahmen=Print | |
| [2] /!5957057&SuchRahmen=Print | |
| [3] https://www.rtl.de/videos/wir-machen-uns-nicht-von-anderen-fraktionen-abhae… | |
| [4] https://www.deutschlandfunk.de/die-cdu-und-die-brandmauer-zur-afd-interview… | |
| [5] https://twitter.com/tobiashans/status/1702376165564993786 | |
| [6] https://twitter.com/ElisabethWinke4/status/1702548668081955000 | |
| ## AUTOREN | |
| Jana Ballweber | |
| Dinah Riese | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA |