| # taz.de -- Wahlchaos in Simbabwe: Die ganze Nacht Schlange stehen | |
| > Die Wahlen in Simbabwe werden um einen Tag verlängert. Viele Menschen | |
| > konnten zunächst keine Stimme abgeben. Regierungsgegner sind wütend. | |
| Bild: Dauert länger als erwartet: Die Wahlen in Simbabwe haben sich verzögert | |
| Harare taz | Die tickende Zeitbombe namens Simbabwe hat die am | |
| schlechtesten organisierte Wahl ihrer Geschichte erlebt. Der Wahltag | |
| Mittwoch hat sich in die Nacht und in einen zweiten Wahltag Donnerstag | |
| hineingezogen, nachdem am Mittwoch vielerorts gar nichts funktionierte, vor | |
| allem in der Hauptstadt Harare und der zweitgrößten Stadt Bulawayo. Da dies | |
| die beiden Hochburgen der Opposition sind, wird befürchtet, dass es nicht | |
| nur technische Pannen bei der [1][Wahlkommission ZEC] gab, sondern bewusste | |
| Manöver, um die Stimmabgabe zu behindern. | |
| In manchen Wahllokalen konnte gar nicht gewählt werden, weil es keine | |
| Stimmzettel gab. In anderen waren sie aufgebraucht, lange bevor alle Wähler | |
| abstimmen konnten. Manche registrierten Wähler fanden sich nicht auf den | |
| Wahllisten wieder und wurden abgewiesen. | |
| Manche hatten sich schon mehrere Stunden vor ihrer Öffnung um 7 Uhr früh in | |
| die Schlange gestellt. Einige gaben irgendwann auf. Viele warteten den | |
| ganzen Tag und bis spät in die Winternacht. Die Wahllokale sollten um 19 | |
| Uhr schließen, aber das war unrealistisch, da manche von ihnen zu dem | |
| Zeitpunkt noch nicht einmal angefangen hatten. So verbrachten viele Wähler | |
| die gesamte Nacht zu Donnerstag vor ihren Wahllokalen in der Hoffnung, dass | |
| irgendwann Stimmzettel eintreffen. | |
| Wo noch spät abends gewählt wurde, gab es zuweilen keinen Strom und der | |
| Wahlvorgang wurde nur mit der Beleuchtung durch Mobiltelefone möglich. | |
| ## Manche geben in der Schlange auf | |
| Blessing Kasiyamhuru, Präsident der oppositionellen Kleinpartei [2][ZIPP | |
| (Zimbabwe Partnership for Prosperity)], hatte Glück: Er gab seine Stimme in | |
| Glenview South in Harare gegen 16 Uhr ab. „Die Leute stehen einfach in der | |
| Schlange“ berichtete er. „Manche sind müde und geben auf. Wie können wir | |
| wählen, wenn es so ist?“ fragte er. „Es ist so traurig. ZEC (die | |
| Wahlkommission) ist nicht in der Lage, eine freie und faire Wahl | |
| hinzulegen. Das kann nicht sein.“ | |
| Diejenigen, die die ganze Nacht ausharrten, begründeten das damit, dass sie | |
| der Inkompetenz oder Manipulation seitens der ZEC nicht nachgeben wollen. | |
| „Wir gehen nirgendwo hin“, sagt ein Wähler im Stadtteil Mabelreign. „Wir | |
| haben seit Jahren auf diesen Moment gewartet. Eine einzige Nacht unter | |
| freiem Himmel ist nichts dagegen.“ | |
| Oppositionsführer [3][Nelson Chamisa] lobte die Wartenden. „Eure | |
| Opferbereitschaft und euer Patriotismus ist außergewöhnlich“, sagte er. | |
| „Seit Langem habe ich ein solches Ausmaß an Hartnäckigkeit und | |
| Durchhaltevermögen nicht erlebt.“ | |
| Der 45-jährige Anführer der erst vor einem Jahr gegründeten [4][CCC | |
| (Citizens Coalition for Change)] ist der wichtigste Gegner des 80-jährigen | |
| Präsidenten [5][Emmerson Mnangagwa], dessen [6][ZANU–PF (Zimbabwe African | |
| National Union – Patriotic Front)] Simbabwe seit der Unabhängigkeit 1980 | |
| regiert. | |
| In der Vergangenheit wurden Simbabwer oft als gutmütig angesichts von | |
| staatlicher Wahlfälschung und Gewalt beschrieben, aber bei manchen ist die | |
| Stimmung jetzt anders. „ZANU–PF erklärt immer den Krieg und wir laufen | |
| immer weg“, sagt Aktivist Bryan Jobe. „Wie lange noch? Wenn sie Krieg | |
| wollen, werden sie Krieg bekommen. Was ZEC heute getan hat, war eine offene | |
| Kriegserklärung.“ Hannah Tarindwa ist ähnlich entschlossen: „Ich bin | |
| richtig angepisst darüber, was ich heute sehe, aber sehr beeindruckt über | |
| die Menschen. Sie weigern sich, zum Schweigen gebracht zu werden. Es ist | |
| ein unglaublicher Anblick.“ | |
| Menschenrechtsaktivist Thabi Ndhlovu weist aber darauf hin, dass nicht alle | |
| Menschen nächtelang vor Wahllokalen anstehen können. „Marginalisierten | |
| Gruppen wie Frauen, Behinderten und Alten wird diese Wahl gestohlen“, | |
| kritisiert er. „Die meisten können zu so später Stunde nicht mehr.“ | |
| All dies findet unter der Nase internationaler Wahlbeobachter statt, die | |
| sehen sollen, wie Simbabwe seinen Paria-Status abwerfen und seinen Platz in | |
| der internationalen Staatengemeinschaft wieder einnehmen will. Manche | |
| Beobachter waren schon wieder abgereist, als Präsident Emmerson Mnangagwa | |
| die Verlängerung der Wahl auf Donnerstag ankündigte. Das Chaos ist | |
| selbstverschuldet, obwohl das Land seit zwei Jahrzehnten seine inneren | |
| Probleme auf das westliche Ausland zurückführt. | |
| Während die Wahl in den zweiten Tag ging, hat mancherorts schon die | |
| Auszählung begonnen. Inoffizielle Einzelergebnisse verbreiten sich auf | |
| sozialen Medien und sorgen für Anspannung. | |
| 24 Aug 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Marcus Mushonga | |
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