# taz.de -- Ein paar Stunden realisierte Utopie | |
> Eine Ausstellung, DJ-Sets und ein Jazz-Konzert wollen die Männerdominanz | |
> in der Musikbranche infrage stellen | |
Bild: Eine von immer noch zu wenigen: Die Hamburger Sängerin Diana Diamond, Ä… | |
Von Lena Pinto | |
Sängerin, Musikerin, Konzertveranstalterin – all das garantiert nicht, dass | |
einer Frau beim eigenen Auftritt der Umgang mit der Technik zugemutet wird. | |
Belustigt erzählt Silvie Torneden davon, wie Tontechniker dabei eigentlich | |
immer nur mit männlich gelesenen Bandmitgliedern kommunizieren, selbst wenn | |
es davon nur eines gibt, wie etwa in ihrem eigenen Punkrock-Trio. | |
Seit 2021 ist die 50-Jährige die Geschäftsführerin des Frauenmusikzentrums | |
in Hamburg (F*MZ). Trotz aller Errungenschaften des Feminismus ist sie nach | |
wie vor überzeugt davon, dass eigene Veranstaltungen und Räume braucht, wer | |
nicht als Mann durchgeht: Die gelernte Krankenschwester, selbst Teil der | |
Punkband „Bullshit Boy“, organisiert seit vielen Jahren Veranstaltungen, | |
die sich ausdrücklich an Flinta richten; das steht für Frauen, Lesben, | |
inter, nicht-binäre, trans- und a-gender Personen. Deren Sichtbarkeit in | |
der eigenen, also der Musikszene zu verbessern, ist Torneden ein | |
persönliches Anliegen. | |
So präsentiert das F*MZ jetzt die Fotoausstellung „Beat Generation – FLINTA | |
in music“: Musiker*innen, fotografiert, von den vier Hamburger | |
Fotografinnen Andrea Preysing, Christiane Stephan, Julia Schwendner und | |
Shoki Shoot. Dazu legen durchweg weibliche DJs auf und es spielt die | |
mehrheitlich weibliche Jazzband „Sir Bradley“. | |
Als deutschlandweit einmalige Institution, so erzählt die | |
Geschäftsführerin, schaffe das F*MZ seit 1987 einen Raum zur musikalischen | |
Vernetzung und Weiterbildung – anfangs ausdrücklich für Frauen und Mädchen, | |
längst auch für alle anderen nicht cis-männlichen Personen aus der | |
Musikbranche: Fünf Proberäume gibt es dort, veranstaltet werden auch | |
Workshops, etwa zur Technik. | |
Flinta nähmen im Musikbetrieb heute viel mehr Raum ein als vor zehn Jahren | |
noch, sagt Terneden, aber die Schlüsselpositionen seien immer noch meistens | |
von Männern besetzt: als Produzenten, Veranstalter, Clubbetreiber. | |
Flinta-Künstler*innen kämen noch zu selten aus ihren Nischen heraus, | |
sagt Terneden, weil spezialisierte Bookingfirmen weniger finanzielle | |
Möglichkeiten haben und die Großen im Geschäft oft zu sehr miteinander | |
kungeln. „Sie buchen sich quasi untereinander.“ | |
Auch 36 Jahre nach der Gründung des F*MZ sind Flinta-Veranstaltungen also | |
immer noch notwendig, um hinzuweisen auf Ungleichheiten und Diskriminierung | |
aufgrund des Geschlechts oder der Geschlechtsidentität. Tornedens Utopie | |
wäre, dass solche besonders unterstützungsbedürftigen Gruppen sich zunächst | |
in Räumen ohne Cis-Männer vernetzen können – um sich dann aber gerade in | |
der heteronormativen Welt besser durchsetzen zu können. | |
Während die F*MZ-Räume in diesem Sinne exklusiv bleiben sollen, sollen die | |
Veranstaltungen genau das nicht: Zu Konzerten etwa sind dann auch die | |
Cis-Männer wieder herzlich eingeladen. Was nicht passieren soll, ist, dass | |
sich verschiedene Blasen bilden, Flinta sich hier tummeln, Cis-Männer dort. | |
Aber, so Terneden, Flinta sind oft nicht so sozialisiert, dass sie auch mal | |
laut werden und Raum nehmen. Diese Erziehung in empowernden Räumen | |
aufzubrechen, darum geht es. | |
Ausdrücklich an alle Geschlechtsidentitäten richtet sich nun das kurze | |
Gastspiel des F*MZ im „Jupiter“, im 5. Stock und auf der Dachterrasse des | |
ehemaligen Karstadt-Sport-Kaufhauses am Hamburger Hauptbahnhof. Die | |
Fotoausstellung „Beat Generation“ soll die künstlerischen Leistungen von | |
Musiker*innen hervorheben, ohne auszublenden, welcher | |
geschlechtsspezifischen Diskriminierung und welchen anderen | |
Herausforderungen sie sich bis heute gegenüber sehen – trotz des Erfolgs, | |
den manche der Gezeigten längst vorweisen können. | |
Ab 16 Uhr, Hamburg, Jupiter, Mönckebergstraße 2–4 | |
8 Sep 2023 | |
## AUTOREN | |
Lena Pinto | |
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