# taz.de -- Klima, Opern, China: Das Problem heißt Geisterwohnungen | |
> Unsere Kolumnistin findet, dass Tourismus für Reiche dazu gehört. Glaubt | |
> aber nicht, dass ohne Verzicht die Klimakatastrophe bewältigt werden | |
> kann. | |
Bild: In China wird das Geld gehortet | |
taz: Frau Herrmann, was war schlecht vergangene Woche? | |
Ulrike Herrmann: Für Journalisten: Es war Sommerloch. | |
Und was wird besser in dieser? | |
Für alle anderen: Es ist immer noch Sommerloch. | |
„Barbie“ hat die 1-Milliarde-Dollar-Marke der Kinoeinnahmen geknackt. Der | |
Film um den Physiker Oppenheimer, der zeitgleich startete, spielte dagegen | |
nur halb so viel ein. Können Sie das für uns auf einen Nenner bringen? | |
Bei „Barbie“ ist die Antwort einfach. Es sind die drei Ks: Komödie, | |
Kindheit, kennt jeder. | |
Das 49-Euro-Ticket ist gefährdet, weil sich Bund und Länder über die | |
Finanzierung streiten. Dabei geht es um insgesamt 3 Milliarden Euro. Der | |
Ausbau der A1 in Hamburg-Harburg soll pro Kilometer rund 74 Millionen Euro | |
kosten. Könnte man nicht aus dem Budget für die Autobahnen den Bahnverkehr | |
finanzieren? | |
Könnte man. Theoretisch. Praktisch gibt es in Deutschland fast 50 Millionen | |
Autos, die alle einen Besitzer haben. Das sind 50 Millionen WählerInnen, | |
die keine Partei vergraulen will. | |
China scheint in eine Deflation gerutscht zu sein. Hat das eher ökonomische | |
oder politische Gründe? | |
Ökonomie und Politik sind in einer Parteidiktatur wie China gar nicht zu | |
trennen. Ein wesentliches Problem ist, dass Präsident Xi Jinping die | |
private Wirtschaft drangsaliert, um die Vorherrschaft der Kommunistischen | |
Partei zu sichern. Trotzdem liegt die eigentliche Ursache für die | |
Wirtschaftskrise woanders: China bräuchte eine vernünftige | |
Rentenversicherung. Es gibt zwar Sozialkassen, aber die Rente reicht nicht | |
zum Leben. Also horten die Menschen ihr Geld auf Konten, was dann der | |
Wirtschaft Nachfrage entzieht. Oder sie investieren in „Betongold“ und | |
kaufen Immobilien – in der Hoffnung, dass deren Wert steigt. Nun stehen in | |
China überall Geisterwohnungen, die niemand braucht. Bisher konnten diese | |
heimischen Probleme kaschiert werden, weil der Export so gut lief. Aber die | |
Weltwirtschaft schwächelt, und außerdem will Xi Aus- und Einfuhren | |
drosseln, damit China von Sanktionen nicht so hart getroffen wird, falls er | |
Taiwan angreift. Nationalismus besiegt ökonomische Vernunft. | |
Ein pakistanischer Bergträger ist auf dem K2 gestorben. Eine | |
Drohnenaufnahme zeigt, dass andere Bergsteiger:innen an ihm | |
vorbeikletterten, ohne zu helfen. Sollte man solche Besteigungen für reiche | |
Nervenkitzeltouris verbieten? | |
Nein, weil sich bei einem Verbot sofort die Frage stellen würde, wovon die | |
vielen Bergträger künftig leben sollten. Besser wäre es, die örtlichen | |
Strafgesetze zu verschärfen oder anzuwenden. Es darf kein Kavaliersdelikt | |
sein, die Rettung am Berg zu unterlassen. | |
Seit Jahresbeginn sind 2.096 Migrant*innen auf dem Mittelmeer gestorben. | |
Diese Woche kenterte erneut ein Flüchtlingsboot. Wo bleibt die europäische | |
Seenotrettung? | |
Immerhin gibt es einen Plan des EU-Parlaments, die Seenotrettung zu | |
verbessern. Aber das Grundproblem bleibt: Die EU setzt auf Abschreckung. | |
Der Weg in den Norden soll so mühsam wie möglich sein. Das ist nicht nur | |
menschenverachtend, sondern auch widersinnig. In Europa fehlen schon jetzt | |
Millionen Arbeitskräfte, und diese Lücke wird immer größer, weil die | |
Babyboomer in Rente gehen. Wir sollten froh sein, wenn Menschen | |
hierherkommen wollen. | |
Das Unternehmen WeWork vermietet in 39 Ländern Arbeitsplätze und bietet | |
Co-Working-Spaces an. Nun steht es vor der Insolvenz. Das Start-up wollte | |
die Arbeitswelt revolutionieren. Warum fällt schon wieder eine Revolution | |
aus? | |
Weil es nie eine Revolution war, sondern nur ein Marketing-Gag. | |
Schreibtische oder Büroetagen kann man immer noch mieten. Auch ohne WeWork. | |
Das Wetter ist extrem, warum wird immer noch zu wenig gegen die | |
Klimakatastrophe unternommen? | |
Weil die grüne Energie nicht reicht. Wir könnten CO2 nur vermeiden, wenn | |
wir komplett auf Ökostrom umstellen. Aber bisher sind die Zahlen | |
erschütternd. In Deutschland deckt die Windkraft 5,3 Prozent des | |
Endenergieverbrauchs ab, die Solarpaneele sind bei 2,8 Prozent. Da bliebe | |
nur Verzicht – was die meisten WählerInnen nicht gern hören. | |
Sie schauen nicht gerne Fußball. Gibt es einen anderen Sport, für den Sie | |
Ihren Fernseher einschalten? | |
Nein. Und ich interessiere mich auch nicht für Opern, Konzerte, Haustiere, | |
Krimis, Kochrezepte oder Promishows. Aber warum sollten meine Vorlieben für | |
irgendwen interessant sein? Und damit übergebe ich wieder an Friedrich | |
Küppersbusch. | |
Fragen: Karin Stork und Eva Keller | |
13 Aug 2023 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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Pakistan | |
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