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# taz.de -- Frausein und Zeit
> In dem Band „Wechselhafte Jahre“ schreiben Schriftstellerinnen über das
> Älterwerden – eine so vielschichtige wie heitere Lektüre
Von Carola Ebeling
Sechzehn Variationen über das Älterwerden versammelt der von Bettina Balàka
herausgegebene Band „Wechselhafte Jahre“, zu dem Schriftstellerinnen aus
Deutschland und Österreich Texte beigesteuert haben. Darunter sind so
bekannte Namen wie Marlene Streeruwitz oder Ulrike Draesner, aber auch Ruth
Cerha oder Barbara Hundegger, die ihre größere Leser*innenschaft in
Österreich haben dürften.
Zwischen 1937 und 1970 sind die Autorinnen geboren, und die Bandbreite der
Perspektiven und Formen macht das Buch zu einer inspirierenden,
vielschichtigen, so ernsten wie heiteren Lektüre. Vom Essay über die
literarische Erzählung bis zur Lyrik – vielen der Annäherungen ist eine
Suchbewegung zu eigen. Und das Bewusstsein, dass dem Älterwerden eine
gesellschaftliche Dimension innewohnt, die für Frauen andere Konsequenzen
als für Männer hat.
Mehrfach ist der Ansatz ein autobiografisch-essayistischer wie bei Katrin
Seddig. In „Die gestandene Frau“ verbindet sie sowohl im Rückblick wie in
der Betrachtung ihrer Gegenwart als 52-Jährige auf kluge Weise das
Persönliche mit dem Überindividuellen. Unaufgeregt, dabei genau in den
Beobachtungen ihrer selbst und der Zuschreibungen von außen, schlägt sie
einen großen Bogen: von ihrer Mutter, der Sozialisation als Frau in der DDR
hin zur eigenen Mutterrolle und Rolle als Autorin im männlich geprägten
Literaturbetrieb.
„Wer will die Alte denn noch sehen“?, zitiert sie einen Kommentar zu einer
älteren Schauspielerin, um dem fragend entgegenzuhalten: „Duldet man uns
oder braucht man uns? Und wer ist man? Wer ist für uns relevant, wen sehen
wir gern und wen brauchen wir?“
Wir, das sind die heute „älteren Frauen“, für die die alten Klischees und
beschränkten Bilder nicht mehr taugen. Neue sind zu finden und zu erfinden
– und den (nicht nur) von Seddig beobachteten und erfahrenen Abwertungen
der älteren Frau in vielen gesellschaftlichen Bereichen entgegenzusetzen.
Nicht zuletzt im beruflichen Umfeld. Ihr Ansatz: „Kein falscher Optimismus,
keine einfachen Antworten. […] Ich denke, es wird gehen.“
Einer Suchbewegung folgt auch Ulrike Draesner. Scham und Sprachlosigkeit –
nicht nur, aber auch in Bezug auf die Wechseljahre – der vorigen
Generationen zu überwinden, sei eine Herausforderung. Auch sie wählt die
essayistische Form, knüpft bei Autorinnen wie Margaret Atwood oder Siri
Hustvedt an, um Leerstellen zu füllen. Selbstermächtigung wider das Gefühl,
auf einer Party wie ein „sprechfähiges Möbelstück“ behandelt zu werden.
Mit absurd-komischer Übertreibung geht Ruth Cerha, Jahrgang 1963, an die
Sache, genauer an die (Selbst-)Kontrolle des weiblichen, älter werdenden
Körpers heran. In „Entpuppung“ unterwirft sich die Ich-Erzählerin zunäch…
dem verinnerlichten „Geht das noch?“ vorm Spiegel: Minirock und
Schlauchkleid wandern in die Tonne. Treffende Beobachtungen, witzige
Selbstironie und eine sich furios hochschraubende Spirale des Protests,
schließlich „eine über alles hinwegrollende Welle der Revolution“.
Von leiser, sinnlicher Intensität ist die Erzählung „Nackt sein“ von Sabi…
Scholl. Ihr Hadern mit dem Alter, den auch finanziellen Problemen, die sich
daraus ergeben, nimmt die Protagonistin mit ans Meer. Findet dort zu
anderen Wahrnehmungen: „Ihre Muskeln pulsieren, überziehen den Körper mit
einer Schicht Freude, die nichts anderes ist als Durchblutung und dadurch
Wahrnehmbarkeit. […] Am Strand wird P. zur Komplizin ihrer eigenen Haut.
[…] Auf der Insel hat P. inzwischen keine andere Aufgabe, als sich zu
entblößen und ihre Nacktheit ins frische Wasser zu tauchen.“ Eine
herrliche, alterslose Selbstvergessenheit auf Zeit.
10 Jun 2023
## AUTOREN
Carola Ebeling
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