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# taz.de -- „Er bleibt für uns noch ein Rätsel, das uns lockt“
> Das Bauhaus-Archiv hat den Nachlass von Jak R. Maier übernommen. Das ist
> der Anfang einer größeren Diskussion ums Sammeln und Bewahren, sagt
> Direktorin Annemarie Jaeggi
Bild: Bewahren oder wegtun? Eine Skulptur Jak R. Maiers wird ausgepackt
Interview Ronald Berg
Das Bauhaus-Archiv – Museum für Gestaltung hat 2013 den Nachlass von Jak R.
Maier (1933 bis 2010) übernommen. Daraus entstand jetzt die erste
Ausstellung zu Leben und Werk dieses weitgehend unbekannten
Metallbildhauers. Die kleine Schau im Ausweichdomizil des Museums in
Charlottenburg ist ein Work in Progress. In einer Reihe von Veranstaltungen
soll mit dem Publikum über den Umgang des Museums mit diesem Erbe
diskutiert werden. Etwaige neue Erkenntnisse über Maier und Ergebnisse der
Gesprächsrunden könnten in die Weise der Behandlung des Nachlasses sogar
mit einfließen. So die Idee.
taz: Frau Jaeggi, wer war Jak R. Maier?
Annemarie Jaeggi: Sein kompletter Name war Jakob Richard Maier. Das wenige,
was wir über ihn wissen: Er war gelernter Schmied und hat sich danach in
Richtung Kunst an der HfbK Berlin (heute UdK) ausgebildet, wo er später als
Professor die Metallwerkstatt leitete.
Was macht ihn so bedeutsam, dass er nun mit einer Ausstellung im
Bauhaus-Archiv Berlin bedacht wird?
Vielleicht muss man sagen: Was macht ihn so bedeutsam, dass wir sein Erbe
angetreten haben? Das Geld war es nicht. Für die testamentarische Auflage,
eine Stiftung zu gründen, war die Summe kaum der Rede wert. Aber wir fanden
den Werdegang von Jak R. Maier im Sinne des Bauhauses interessant – vom
Handwerk kommend zur Kunst und dann in die Lehre. Das war der exemplarische
Weg vieler Bauhäusler*innen. In der Bauhaus-Nachfolge scheint er sich
durchaus selbst begriffen zu haben, auch wenn er formal in den 1960er- und
70er-Jahren verwurzelt ist.
Er sei der „ideale Bauhaus-Künstler“, so schildert es seine Ehefrau
Marianne.
Über Maiers Ansichten wissen wir wenig. Er bleibt für uns noch ein Rätsel,
das uns lockt. Dem testamentarischen Willen folgend gründeten wir daher
eine Stiftung.
Was ist der Zweck dieser Stiftung?
Die Förderung des Werkes von Jak R. Maier und der Arbeit des
Bauhaus-Archivs.
Ist der Maier-Nachlass typisch für Erwerbungen an Ihrem Museum?
Nein. Wir sind ein außergewöhnliches Museum, da wir Arbeiten der
Studierenden sammeln. Das Bauhaus war ja eine Schule. Was uns daran
interessiert, sind die Aufgabenstellungen, die die berühmten
Lehrer*innen den Student*innen gestellt haben, weil es sich um eine
neue Art der Kunstausbildung handelte. Deren Resultate sammeln wir primär.
Darüber hinaus nehmen wir natürlich auch die Werke dieser berühmten
Bauhaus-Künstler*innen in unsere Sammlung auf. Es geht uns also um
Pädagogik, die 20er-Jahre und um den Anspruch des Gesamtkünstlers und der
Gesamtkünstlerin. Wir sammeln keine kompletten Nachlässe der ehemaligen
Student*innen, sondern wählen, wie wahrscheinlich 99,9 Prozent aller
Museen, nur das für uns Relevante aus.
Was nach dem Erwerb eines Nachlasses folgt, die Auswahl, Inventarisierung,
Bearbeitung etc. – darum geht es in der aktuellen Ausstellung zu Maier?
Ja, beim Auspacken der 17 Umzugskisten kommt viel zum Vorschein, was mit
dem Werk nichts zu tun hat, zum Beispiel persönliche Memorabilia. In dieser
Situation fragen wir uns: Brauchen wir das wirklich? Bis jetzt haben wir
noch nichts davon entsorgt.
Insofern ist der Maier-Nachlass dann doch typisch?
Der Aussonderungsprozess ist typisch, für unser Haus aber untypisch. Wir
übernehmen sonst keine kompletten Nachlässe oder Überraschungskisten. Und
Maier ist untypisch wegen der testamentarischen Bindung an eine
Stiftungsgründung. Das ist für uns das erste Mal.
Für Museen gibt es keinerlei gesetzliche Vorgaben in puncto Nachlässe, wie
damit umzugehen sei, oder doch?
Die Museen entscheiden selbst. Das hat mit den jeweiligen Kontexten und
Sammlungsschwerpunkten des Museums zu tun. Wir fragen: Was interessiert
uns? Unsere satzungsgemäße Aufgabe lautet: Wir sammeln das überlieferte
geistige und materielle Erbe des Bauhauses.
Könnten Sie Sachen aus dem Maier-Nachlass auch einfach wegwerfen?
Zu erhalten, präsentieren und wissenschaftlich aufzuarbeiten ist der
Auftrag von öffentlich geförderten Museen. Dem kommen wir
selbstverständlich nach. Aber es gibt Spielräume. Wir überlegen, wer etwas
damit anfangen könnte und dann kommt es gegebenenfalls zu einer
Dauerleihgabe oder einer Schenkung an eine andere Einrichtung. Die
Blechschere aus Maiers Nachlass könnten wir vielleicht bei unseren
Workshops gut gebrauchen. In solchen Überlegungen sind wir frei. Ich würde
aber niemals ein Kunstwerk zerstören. Da gibt es eine moralische Barriere.
Trotzdem gibt es viele Künstlernachlässe, die im Orkus verschwinden.
Könnten Sie sich eine öffentlich bestellte Kommission oder Institution
vorstellen, die sich dieses Kulturgutes annähme, um zu verhindern, dass
etwas Bedeutsames verschwindet?
Das wäre ein utopisches Projekt. Wer soll sich darum kümmern? Jak R. Maier
war clever genug, für die Zeit nach seinem Ableben alles vorzubereiten. Und
wir haben uns auf die Gründung einer Stiftung eingelassen, um andere zu
animieren, durch Zustiftung das Bauhaus-Archiv zu unterstützen. Wir
versuchen insbesondere die Mitglieder unseres Trägervereins darauf
hinzuweisen, dass sie das Bauhaus-Archiv auch in ihrem Testament bedenken
könnten.
Aus Künstlerkreisen – etwa von Silvia Breitwieser – kam der Vorschlag, für
ein großes Mausoleum, das Künstlernachlässe aufnehmen könnte. Was halten
Sie davon?
Ein großes Mausoleum oder Depot wäre innerhalb eines Monats bis unters Dach
ausgefüllt. Es muss ja Entscheidungsprozesse geben. Vielleicht muss man so
hart sein und fragen, ob wirklich alles erhaltungswürdig ist. Vieles
verschwindet und ich bedauere das, aber: Einfach alles zu übernehmen ist,
jedenfalls für ein Museum, keine Option. Wir sammeln nicht nur, um Dinge
für die Nachwelt aufzuheben, sondern weil wir ein strategisches Interesse
haben, die Dinge zu erforschen und sie auszustellen. Dennoch würde ich
Nachlässe nicht pauschal ablehnen, auch wenn ich sie ad hoc im Museum nicht
gleich verwerten kann wie bei Jak R. Maier.
Unpacking Jak R. Maier. Geerbt und ausgepackt – vom Wert der Dinge. The
temporary bauhaus-archiv. Bis 30. Juni
Mittwoch, 26. April, 18.30 Uhr: Gespräch mit Kristin Bartels, Anna
Distelkamp und Friederike Hauffe über den Nachlass von Jak R. Maier auch
aus rechtlicher Perspektive
24 Apr 2023
## AUTOREN
Ronald Berg
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