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# taz.de -- Auf und Ab eines Kolonialdenkmals
> Denkmäler sind willkommene Projektionsflächen in Konflikten der
> Gegenwart. Ein Buch erläutert das an der wechselhaften Geschichte der
> Hamburger Wissmann-Statue
Bild: Die Wissmann-Statue 2005, nach der Wiederaufstellung durch Hannimari Joki…
Von Fabian Lehmann
Aufgabe der Denkmäler aus der Zeit um 1900 sei es nicht gewesen, Geschichte
zu vermitteln, sondern vielmehr, einen Großteil der historischen Ereignisse
zu leugnen. Es sei eben nicht darum gegangen, den Betrachter*innen
einen Zugang zur Vergangenheit zu ermöglichen, sondern klarzustellen, was
erinnerungswürdig sei und was vergessen werden könne. So schrieb der
Historiker Joachim Zeller schon vor 20 Jahren über Denkmäler und bezog sich
dabei insbesondere auf jene, die Akteure der deutschen Kolonialzeit
huldigen. Gemeinsam mit der Historikerin Flower Manase und der Künstlerin
Hannimari Jokinen hat er ein Buch herausgebracht, das sich einem einzelnen
Kolonialdenkmal widmet: der Hamburger Wissmann-Statue.
1909 im tansanischen Dar es Salaam erstmals aufgerichtet, wurde die
Bronzestatue zu Ehren des Gouverneurs in der Kolonie Deutsch-Ostafrika zehn
Jahre später schon wieder abmontiert. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs
hatte das Kaiserreich alle Ansprüche auf seine Kolonien abgetreten. Die
Statue des preußischen Offiziers mitsamt dem ehrerbietigen afrikanischen
Soldaten kam aber nach Hamburg und wurde 1922 vor dem Kolonialinstitut der
Universität zwischen Rothenbaumchaussee und Edmund-Siemens-Allee ein
zweites Mal eingeweiht.
An diesem Ort blieb sie, bis sie in der Nacht des 31. Oktober 1968 von
Studierenden aus ihrer Verankerung gerissen wurde. Es war das Ende der
kolonialen Ära des Denkmals und der Beginn seines postkolonialen
Nachlebens.
Dass es den Studierenden bei dem Denkmalsturz jedoch nicht um die deutsche
Kolonialschuld gegangen sei, sagen Zeitzeugen wie der Hamburger Arwed Milz.
Er war Mitglied des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes und bei der
ikonoklastischen Aktion zugegen. Es sei ihnen damals um den Krieg in
Vietnam, um den Schah von Persien und die Diktatur in Portugal gegangen, so
Milz.
Ein historisches Flugblatt, dass die Aktion ankündigt, belegt das: „Der
Kolonialismus benutzt heute wie damals dieselben Mittel“ und „Die
Wissmänner sind noch immer unter uns“, ist darauf zu lesen. Nach dem
Vorbild von Rudi Dutschke habe man mit symbolträchtigen Aktionen die Medien
erreichen wollen, um etwa über die Beteiligung der deutschen
Rüstungsindustrie am portugiesischen Kolonialkrieg in Angola in den 1960ern
aufzuklären.
Nicht anders als in der südafrikanischen Rhodes-Must-Fall-Bewegung um 2015
oder den US-amerikanischen und englischen Black-Lives-Matter-Protesten war
es also auch beim Hamburger Denkmalsturz um die Auseinandersetzung mit
gegenwärtigen Themen gegangen, um eine kapitalistische Weltordnung und
imperiale Kriege im Globalen Süden. Damals wie heute sind Denkmäler dabei
willkommene Projektionsflächen und diskursive Kondensationskerne, deren
Sturz zuverlässig mediale Breitenwirkung erzielt.
Um diese Wirkung wissend, hatte die Künstlerin Hannimari Jokinen Anfang der
2000er Jahre das damals längst vergessene Wissmann-Denkmal in der
Bergedorfer Sternwarte ausfindig gemacht, wo es eingelagert verstaubte.
2004 stellte sie es erneut auf, diesmal nahe der Landungsbrücken im Herzen
Hamburgs. Auf der noch immer existenten Website „www.afrika-hamburg.de“
ließ Jokinen öffentlich darüber abstimmen, ob das Denkmal ein zweites Mal
gestürzt werden solle. Diesmal waren 95 Prozent dagegen. Auch unliebsame
Denkmäler sollten erhalten bleiben, war in den Online-Kommentaren zu lesen.
Es sollte nicht die letzte Station im Nachleben der Statue bleiben. Für
Ausstellungen zum deutschen Kolonialismus wie 2016 im Deutschen
Historischen Museum werden der mittlerweile stark angeschlagene Wissmann
und der Askari als untote Zeugen einer postkolonialen Gegenwart immer mal
wieder aus dem Lager geholt. Es ist diese für Denkmäler untypische Dynamik
und die Funktion des Spiegels seiner Zeit, die Joachim Zeller in seiner
Einleitung hervorhebt: „In seinem Auf und Ab, vor allem aber in seinem
Dafür und Dagegen spiegeln sich die historisch-politischen Zeitläufe
wider.“
„Stand und Fall. Das Wissmann-Denkmal zwischen kolonialer Weihestätte und
postkolonialer Dekonstruktion“. Hannimari Jokinen, Flower Manase, Joachim
Zeller (Hrsg.), Metropol Verlag, Berlin 2022, 20 Euro
5 Apr 2023
## AUTOREN
Fabian Lehmann
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