# taz.de -- Die Rezeption erschweren | |
> Die Interessen der Erbengemeinschaft eines Künstlers können eine | |
> kritische Auseinandersetzung verhindern. Die „neue Gesellschaft für | |
> bildende Kunst“ hat das am Beispiel Picasso erfahren und thematisiert | |
Bild: Picasso als gut verkäufliche Marke, auch für den Autohersteller Citroën | |
Von Martin Conrads | |
Picasso – das Auto, Picasso – die Kaffeetasse, Picasso – der Schlips. Es | |
sind Lizensierungen des Namens des Künstlers, von Abbildungen seiner | |
Signatur und seiner Werke, die die Marke Picasso auch in diesem, dem 50. | |
Jahr seines Todes, erfolgreich zirkulieren lassen sollen. Erfolgreich vor | |
allem aus der ökonomischen Sicht der Erbengemeinschaft: die Urheber-, | |
Reproduktions- und Persönlichkeitsrechte Picassos liegen bei der | |
„Succession Picasso“ mit Sitz in Paris (die in Deutschland wiederum von der | |
VG Bild-Kunst vertreten wird). Sie verdient an der Verwertung, indem sie | |
bei Verwendung der Abbildung von Werken Picassos finanzielle oder | |
juristische Forderungen stellt. | |
Aus Sicht der Berliner „neuen Gesellschaft für bildende Kunst“ (nGbK) wirft | |
dieses Gehabe Stirnrunzeln und Kopfschmerzen hervor: entweder sind die | |
Lizenzgebühren teuer – zu teuer für einen Verein wie die nGbK –, oder | |
bestimmte Nutzungen werden kategorisch verboten, sofern nicht bestimmte | |
Bedingungen erfüllt sind. Eine kritische kuratorische oder künstlerische | |
Auseinandersetzung mit Aspekten des Werks von Picasso, die auch auf das | |
Zeigen von Reproduktionen seiner Werke zurückgreifen will, kann dies stark | |
erschweren. | |
Doch der Reihe nach. 2021/22 war im Kölner Museum Ludwig eine | |
vielbesprochene Ausstellung mit dem Titel „[1][Der geteilte Picasso. Der | |
Künstler und sein Bild in der BRD und der DDR“] zu sehen. Diese bezog sich | |
teilweise auf eine Wanderausstellung mit dem Titel „Kunst und Politik am | |
Beispiel Guernica. Picasso und der Spanische Bürgerkrieg“. 1975 von der | |
nGbK organisiert, wurde die Ausstellung an verschiedenen westdeutschen | |
Standorten gezeigt. Angeregt durch diese Verknüpfung, griff eine | |
Projektgruppe der nGbK mit der Ausstellung „Salud – Picasso Speaking. | |
'Guernica’ und der Krieg in den Städten“ die vielfachen historischen und | |
politischen Verflechtungen auf, die sich aus der Rezeption von „Guernica“, | |
Picassos vielleicht bekanntestem Bild, ergeben. Jenem Bild, das nach dem | |
deutsch-italienischen Luftangriff auf das gleichnamige baskische Städtchen | |
im Jahr 1937 entstand. | |
Gezeigt in der „station urbaner kulturen“, dem Standort der nGbK in | |
Berlin-Hellersdorf, ist „Salud – Picasso Speaking“ so als eine „Ausstel… | |
über eine Ausstellung über Ausstellungen“ konzipiert. Mit viel Text, | |
Dokumentationsbildern sowie einigen aktuellen künstlerischen Beiträgen | |
verbindet sie etwa Picassos Situation und Rolle als Kommunist im | |
französischen Exil, seine Verbindungen in die DDR oder die kolonialistische | |
Geschichte von Bombardierungen (inkl. Russlands Angriffskrieg auf die | |
Ukraine) miteinander. | |
In diesem Kontext ist es ein denkbar unglücklicher Umstand, das Thema | |
„Guernica“ derart breit ausstellen zu wollen, ohne – aus juristischen oder | |
finanziellen Gründen – „Guernica“ selbst als Reproduktion zeigen zu kön… | |
Von der Projektgruppe und den beteiligten Künstler:innen konnte dieses | |
Problem durch Ausstellungsgestaltung und Bildgebung auf so fragile wie | |
befriedigende Weise gelöst werden. Gleichzeitig wurde das Problem selbst zu | |
einem unsichtbar in der Ausstellung verankerten Thema; offene Fragen | |
blieben. Daher lud man am vergangenen Donnerstag den Rechtsanwalt (und das | |
nGbK-Mitglied) Urs Verweyen zu einem Vortrag ein, der für die | |
nGbK-Geschäftsführung auch im Sinn einer juristischen Beratung zu den als | |
„Eingriff in kuratorische und künstlerische Freiheit“ empfundenen | |
Bedingungen und Forderungen seitens der Erbengemeinschaft fungierte. | |
Unter dem Titel „Alles von der Kunstfreiheit gedeckt? Collagen, | |
recherchebasierte Arbeiten – Pastiche als Schutz von Kunst- und | |
Meinungsfreiheit“ beruhigte Verweyen Kurator:innen und Geschäftsführung | |
dahingehend, dass sich mit Einführung der „Pastiche-Schranke“ in das | |
deutsche Urheberrechtsgesetz (§ 51a) im Juni 2021 die Sachlage für eine | |
freie Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke erheblich verbessert habe. | |
Zuvor sei Urheberrecht zunehmend zu Verwertungsrecht geworden, die | |
„Pastiche-Schranke“, die „die Vervielfältigung, die Verbreitung und die | |
öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck der | |
Karikatur, der Parodie und des Pastiches“ (grob: der Nachahmung) | |
ermöglicht, sei eine Reaktion darauf. | |
Im Sinne eines erweiterten Werkbegriffs würde er sogar dafür optieren, auch | |
kuratorische Leistungen als Werk zu definieren, was eben auch auf diese | |
Ausstellung zuträfe. Ist man bei einem Verein wie der nGbK also nun auf der | |
rechtlich sicheren Seite? Nicht ganz, so Verweyen: denn die Anwendung von § | |
51a bei kuratorischen Leistungen könne letztlich auch andere | |
emanzipatorische Diskussionen untergraben – man denke an jene über | |
Ausstellungshonorare für Künstler:innen. Doch dies ist (vielleicht) eine | |
andere Geschichte. | |
„Salud – Picasso Speaking. 'Guernica’ und der Krieg in den Städten“. | |
station urbaner kulturen/nGbK Hellersdorf, Auerbacher Ring 41, | |
Berlin-Hellersdorf, Do u. Sa 15-19 Uhr. Bis 04. Februar. | |
16 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Martin Conrads | |
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