# taz.de -- Die Schwermut des Weltraumschrotts | |
> Die Technik erzeugt ihre eigenen Geister: Davon erzählen Noa Heyne und | |
> Jens Brand in der Galerie Weisser Elefant | |
Von Paula Marie Kehl | |
Mit der Dunkelheit wird oftmals die Stille verbunden und andersherum. | |
Dunkelheit und Stille treffen vor allem an einem Ort, einem unbegrenzten | |
Raum, aufeinander: im Weltall. Dort kreisen Satelliten um die Erde und | |
arbeiten vor sich hin. Sie sind unter anderem für unsere Verständigung da, | |
tragen maßgeblich zur Vernetzung und Globalisierung bei. Hier weicht die | |
Stille der Kommunikation. | |
Doch kommt es auch immer wieder vor, dass sie defekt sind. Ausgediente | |
Satelliten werden dann in sogenannte Friedhofsorbits weit draußen ins All | |
entlassen. Schwerelos und unbrauchbar geraten sie dort in Vergessenheit. | |
Als die Berliner Künstlerin Noa Heyne von dieser Entsorgung erfährt, möchte | |
sie in Form einer Installation der nutzlosen Technik, die im Kollektiv von | |
der stillen Dunkelheit verschluckt wird, eine angemessene Bestattung auf | |
der Erde geben. | |
Das geschieht in „Ghosts“, der aktuellen Ausstellung in der Galerie Weisser | |
Elefant. Hier treffen Noa Heyne und Jens Brand mit jeweils eigenen, | |
erzählenden Installationen aufeinander. Ihre künstlerischen Arbeiten | |
bedienen sich beide auf je eigene Weise an Kommunikationstechniken und | |
rufen gemeinsam Geister hervor. | |
Fünf Satelliten mit dem Titel „Satellite Cradel“ von Noa Heyne befinden | |
sich im größten Raum der Galerie. Durch einen Bewegungssensor, der durch | |
die eintretenden Besucher:innen gleich neben dem Eingang ausgelöst | |
wird, sollen die mehrteiligen Maschinen anhand von Seilen und Laufrollen | |
simultan durch rotierende Motoren zum Leben erweckt werden – wenn die | |
Technik denn mitspielt. Am vergangenen Dienstag klappte das nicht, es gab | |
ein Technikproblem und anstelle von fünf wurde nur ein Satellit in Bewegung | |
gesetzt. | |
Auch wenn dieser Ausfall nicht geplant war, so passt er doch auf | |
merkwürdige Weise in das Thema der Vergänglichkeit und Unvollkommheit der | |
künstlichen Himmelskörper. | |
Die Bewegung der funktionierenden Maschine wirkt jedoch auch im Solo: | |
Beinah ächzend und von einem langen letzten Atemzug erzählend heben und | |
senken sich langsam die einzelnen Glieder auf und ab. | |
Das Pendant zu der sich dahin schleppenden Bewegung der Maschine bildet | |
Jens Brand mit seiner Soundinstallation „door“. An der Innenseite einer Tür | |
in der Galerie sind 16 verkabelte Motoren installiert. Allesamt erzeugen | |
sie verschiedene Klänge: Zu hören sind Vögel und Insekten, sie klingen wie | |
ein Schwarm Bienen. Synchron dazu werden die unmittelbar verarbeitetenden | |
Stimmen und Geräusche, die an zwei Stellen in der Ausstellung von | |
Mikrofonen aufgenommen werden, eingespielt. Die abstrakten Klänge sind | |
beinah in der gesamten Galerie zu hören und erinnern an die Aufnahmen des | |
Künstlers und Forschers Friedrich Jürgenson, der in den 1950er Jahren | |
behauptete, über Radiowellen Kontakt mit Verstorbenen aufgenommen zu haben. | |
Was Jens Brand und Noa Heyne verbindet, ist die Begeisterung für einfache | |
Technologie, abseits von übertriebener Finesse in der Darstellung und | |
Aufarbeitung. Offene Laufwerke werden nicht verhüllt, keine Kabel | |
versteckt. So geht es nicht um eine ästhetische Aufarbeitung der Technik, | |
sondern um deren Wirkung selbst, die lediglich durch Sound und Bewegung | |
entsteht. | |
Die Installationen mit ihren ächzenden und schwermütigen Bewegungen und mit | |
dem abstrakten Sound geben der Komplexität der Kommunikation zwischen den | |
Menschen mit und ohne Unterstützung von Maschinen einen ungewohnten | |
Ausdruck. | |
Und vor allem erwecken sie das, was der Titel der Ausstellung verspricht: | |
Geister. | |
In der Galerie Weisser Elefant, Di.–Fr. 11–19 Uhr, Sa. 13–19 Uhr, bis 4. | |
Februar 2023 | |
21 Nov 2022 | |
## AUTOREN | |
Paula Marie Kehl | |
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