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# taz.de -- taz🐾thema: Die Schwierigkeit, billigen Sonnenstrom zu nutzen
> Die Energie vom Dach ist für Hausbesitzer hochattraktiv. An Ladesäulen
> kommt der billige Photovoltaikstrom zwar noch nicht an. Dafür punkten
> E-Autos an anderer Stelle
Bild: So kann die Energiewende aussehen: Bei Sonne läuft die Waschmaschine, au…
Von Bernward Janzing
Die erneuerbaren Energien sind inzwischen dort angelangt, wo sie immer hin
sollten: Sie sind ohne jegliche Förderung wirtschaftlich. So wirtschaftlich
sogar, dass die Bundesregierung bereits plant, neben den normalen
Ertragssteuern von den Erzeugern auch noch Zusatzgewinne abzuschöpfen.
Wenngleich die Hintergründe dieser Entwicklung dramatisch sind, wird der
Krieg in der Ukraine der Energiewende unweigerlich einen Schub geben. Zum
einen, weil deutlicher als je zuvor klar wurde, wie wichtig heimische
Ressourcen sind; zum anderen aber auch, weil die Verknappung fossiler
Energieträger die konventionelle Versorgung verteuert und damit die
Energiewende umso attraktiver macht.
In Zahlen: Im September lag der Marktwert einer Kilowattstunde Solarstrom
an der Strombörse im Mittel bei gut 31 Cent. Dabei ist schon eingepreist,
dass die Sonne nicht immer scheint. Windstrom an Land war im September
aufgrund seines abweichenden Erzeugungsprofils gut 28 Cent je
Kilowattstunde wert. Auch abseits der Strombörse, nämlich zu Hause, ist
Solarstrom längst extrem wirtschaftlich. Da es im kommenden Jahr für
Haushalte kaum noch Stromverträge unter 40 Cent je Kilowattstunde geben
dürfte, ist jede Kilowattstunde, die man dank eigener Solaranlage nicht aus
dem Netz beziehen muss, ausgesprochen lukrativ. Die Kilowattstunde vom Dach
kostet schließlich keine 10 Cent mehr.
Deswegen gibt es in Deutschland bereits mehr als 2,5 Millionen
Photovoltaikanlagen; allein im Jahr 2022 kamen schon mehr als 260.000
Kleinkraftwerke mit zusammen 5,7 Gigawatt hinzu. Mehr als 200.000
Steckermodule („Balkonsolar“) sind zudem inzwischen im Einsatz; einige
davon sind gar nicht offiziell erfasst und kommen zu den genannten Zahlen
noch hinzu.
Nun erwartet das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien in
Münster für Deutschland einen Photovoltaik-Zubau von 8 Gigawatt im Jahr
2022. Das ist etwa so viel, wie in den historischen Boomjahren 2010 bis
2012 jeweils installiert wurde. Zum ersten Mal wird in diesem Jahr die
Photovoltaik einen zweistelligen Prozentanteil des deutschen Strombedarfs
decken. Gleichwohl hat die Energiewende noch viele Baustellen – unter
anderem, weil die Sonneneinstrahlung stark schwankt. Noch recht gut zu
handhaben ist der Tagesrhythmus. Elektroautos können weitgehend tagsüber
laden, auch Wärmepumpen können bevorzugt bei Sonnenschein laufen, sofern
ausreichend Wärmespeicher (die zu einem guten Energiekonzept dazugehören)
bereitstehen. Ein kleiner Batteriespeicher im Haus kann zudem den
Strombedarf für eine Sommernacht problemlos bereitstellen, so dass man über
viele Wochen im Jahr ohne Netzstrom auskommen kann.
Die jahreszeitliche Speicherung ist hingegen eine Herausforderung, denn
eine Batterie im Keller reicht niemals aus, um die Sommersonne in den
Winter zu retten. Für die saisonale Speicherung müssen deshalb andere
Konzepte her. Trotz des Nachteils hoher Umwandlungsverluste ist hier
derzeit keine andere Technik absehbar als die Erzeugung synthetischer Gase
oder Flüssigkeiten. Neben Wasserstoff kommen vor allem Methan, Ammoniak
oder Flüssigtreibstoffe in Betracht.
Als ein Hauptproblem der Energiewende erweisen sich neben den fehlenden
Speichern längst auch die fehlenden Preisanreize für Endkunden, damit diese
billigen Strom aus erneuerbaren Quellen dann nutzen können, wenn er
anfällt. Nur Eigenheimbesitzer haben einen solchen Anreiz – und viele von
ihnen reagieren entsprechend: Bei Sonne läuft die Waschmaschine, auch das
Elektroauto wird bevorzugt mit eigenem Solarstrom getankt. An öffentlichen
Ladestationen gelingt es hingegen noch nicht, Kunden bei Sonnenschein
billigeren Strom anzubieten. Selbst wenn ein Betreiber dies möchte, weil
auf dem Dach der Station Photovoltaik installiert ist, darf er den
günstigen Preis aus Gründen des Eichrechts noch nicht weitergeben.
Bei der Rückspeisung ist die Konstellation ähnlich. Wer über ein Solardach
verfügt und zugleich ein Elektroauto hat, kann am Abend aus der
Autobatterie sein Hausnetz mit günstigem Solarstrom vom Tage versorgen –
vorausgesetzt freilich, dies harmoniert mit den persönlichen
Mobilitätsbedürfnissen. Und vorausgesetzt, man verfügt über ein
Fahrzeugmodell, das für das sogenannte bidirektionale Laden taugt. So ist
heute alles, was hinter dem eigenen Stromzähler passiert, praktikabel. Nur
was über den eigenen Zähler – oder, wie die Energiewirtschaft sagt: den
eigenen Bilanzkreis – hinausgeht, birgt noch Probleme. Aus dem Autoakku ins
Netz zurückzuspeisen, um in Stunden hoher Börsenpreise von diesen zu
profitieren, ist bisher nicht vorgesehen.
Zwar ist davon auszugehen, dass Stromversorger in Zukunft Preismodelle
anbieten werden, die zeitliche Flexibilität der Kunden belohnen. Dafür aber
sind erst einmal digitale, „intelligente“ Stromzähler erforderlich. Das
sind solche, die nicht nur über das Jahr Verbräuche oder Einspeisemengen
aufsummieren, sondern für jede Viertelstunde – das ist der Standardtakt der
Stromwirtschaft – die Lastflüsse erfassen und entsprechend abrechnen.
Der Verband kommunaler Unternehmen betonte daher jüngst: „Echtzeitdaten
sind Voraussetzung für flexible Stromtarife.“ Das weiß auch
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der soeben einen Neustart des
sogenannten „Smart Meter Rollouts“ ankündigte, nachdem dieser bisher
schleppend verlief. Was übrigens nicht verwundert: Weil es bisher kaum
zeitvariable Stromtarife gibt (mit denen man Geld sparen kann), scheuen die
Haushalte die Mehrkosten des Smart Meters – und ein entscheidender Teil der
Energiewende bleibt in einem Teufelskreis stecken.
5 Nov 2022
## AUTOREN
Bernward Janzing
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