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# taz.de -- Meinungsfreiheit für Salafisten
> Das Bremer Landgericht erklärt die Ausweisung eines Predigers für
> rechtswidrig. Der Verfassungs-​schutz arbeitete schlampig
Von Klaus Wolschner
Mit einer Frist von gerade 21 Tagen sollte der tunesische Prediger Abbes
Ch., der seit 2001 in Bremen lebt, in sein Heimatland ausreisen. Auf 20
Jahre sollte es eine Wiedereinreisesperre geben. So hat es die Bremer
Innenbehörde im Frühjahr 2022 verfügt. Begründung: Er würde in seinen
salafistischen Predigten, die auch im Internet übertragen werden,
„hasserzeugende“ und „terrorismusunterstützende Botschaften“ verbreite…
stelle damit eine „erhebliche Gefahr für den inneren und äußeren Frieden
der Bundesrepublik Deutschland“ dar.
Die Ausweisung war rechtswidrig – das Verwaltungsgericht entschied nun,
seine Äußerungen bewegten sich im Rahmen der Meinungsfreiheit und ließen
keine von ihm ausgehende relevante Gefährdung für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung erkennen. Offenbar hat der Bremer Verfassungsschutz
auch schlampig zugearbeitet. Die Zitate seien oft aus dem Zusammenhang
gerissen worden und es sei unklar, von wem die Sätze übersetzt worden
seien. Transkripte der Predigten in Originalsprache sind dem Gericht nicht
vorgelegt worden. Bei einigen der dem Prediger vorgeworfenen Aussagen
handelt es sich zudem um wörtliche Zitate aus dem Koran.
Das Islamische Kulturzentrum (IKZ) am Breitenweg wird seit Jahren vom
Verfassungsschutz überwacht, gegenüber dem Eingang ist seit 20 Jahren eine
Kamera angebracht. Dennoch ist es dem Verfassungsschutz bisher nicht
gelungen, Hinweise auf strafbare Handlungen beizubringen. Auch die
öffentlich verbreiteten Äußerungen des Predigers haben offenbar keine
strafrechtlich relevante Grenze überschritten. Umso erstaunlicher, dass die
Innenbehörde damit eine Ausweisung rechtfertigen wollte.
Der Prediger hatte Ungläubige als „Enkel der Affen und Schweine“ bezeichnet
und damit Tötungshemmnisse verniedlicht, aber auch das fällt unter die
Meinungsfreiheit. Zudem, so erklärte das Gericht, sei bei diesen
allgemeinen Aussagen fraglich, wer überhaupt gemeint gewesen sei. Die
Formel ist in salafistischen Kreisen verbreitet, Abd al-Asis al-Umari, der
mit Mohammed Atta in das World Trade Center flog, rechtfertigte damit in
einem Video-Testament seine mörderische Tat.
Gleichzeitig hat der Prediger sich schon 2015 scharf von den Anhängern des
IS distanziert und die IS-Kämpfer als „Narren und Idioten“ bezeichnet, ihre
Handlungsweise sei ein „Verbrechen“. Hintergrund ist, dass einige der
Gemeindemitglieder des IKZ Angehörige von Opfern des IS sind,
IS-Sympathisanten wurden von der Mitgliedschaft im IKZ ausgeschlossen.
Solche Differenzierungen überfordern offenbar den Bremer Verfassungsschutz.
Im Februar 2015 behaupteten die Bremer Ermittler sogar, dass im IKZ 60
Maschinenpistolen für einen Terroranschlag im Bremer Stadtzentrum gelagert
würden, und rechtfertigten damit eine Durchsuchung der Gebetsräume mit
Hunden – was für gläubige Muslime besonders entweihend ist. Schon diese
Durchsuchung war rechtswidrig.
5 Sep 2022
## AUTOREN
Klaus Wolschner
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